Das Geheimnis der Gottesliebe 3 - 3

In diesem Zustand und seiner Beschreibung tritt die Erhabenheit einer selbstlosen Liebe zu Allāh zutage, die das Herz ganz und gar erfasst, es dazu bringt, nichts anderes mehr wahrzunehmen, sich in ständig wachsender Liebe von allen Anhaftungen zu befreien und sich seinem Herrn zuzuwenden. All dies finden wir zusammengefasst in den Worten Allāhs, des All-Erhabenen:

{Diejenigen, die gläubig sind, sind am stärksten in ihrer Liebe zu Allāh!} (2:165)

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die einzige Quelle der Barmherzigkeit und Zuneigung, die uns zum Ozean der Gottesliebe führt, der Prophet ist – möge Allāh ihn segnen und ihm Frieden schenken. Muhammad – Segen und Friede seien auf ihm – zu lieben bedeutet Allāh zu lieben! Ihm zu gehorchen bedeutet Allāh zu gehorchen und Ungehorsam ihm gegenüber ist Ungehorsam gegenüber Allāh. Die ehrwürdige Gegenwart des Propheten ist ein Zufluchtsort für die Menschheit, und diejenigen, die in der Erkenntnis Allāhs leben, wissen, dass der Grund für die Erschaffung und die Existenz des Universums die Liebe zu Muhammad ist. Das gesamte Universum ist der Existenz des Lichts Muhammads – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – gewidmet.

Aus diesem Grunde stellt die Liebe zu Muhammad – möge Allāh ihn segnen und ihm Frieden schenken – eine Ausnahme von den unterschiedlichen Formen der Liebe zu anderem außer Allāh dar und birgt keine der damit verbundenen Gefahren in sich. Es ist nicht nur zulässig, sondern sogar Pflicht, den Propheten von ganzem Herzen zu lieben. Ein Beispiel für diese Liebe finden wir in der ehrwürdigen Tochter des Propheten – Allāh segne ihn und seine Familie und schenke ihnen allen Frieden – Fātima, die ihrem Schmerz bei der Nachricht vom Tode ihres geliebten Vaters Ausdruck verlieh, als sie sagte:

Als der Stolz des Universums in die Welt der Ewigkeit hinüberging, empfand ich, dass eine Katastrophe über mich kam, die, wenn sie über die dunkelste Finsternis gekommen wäre, deren Farbe verdunkelt hätte!“[1]

Der schönste und nachdrücklichste Ausdruck der Liebe zum Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – besteht im Gehorsam ihm gegenüber. Aufgrund der goldenen Regel „Der Liebende sollte alles lieben, was sein Ge­lieb­ter liebt!“ gilt es, dem Propheten – Friede und Segnen Allāhs seien auf ihm – in allen Bereichen zu gehorchen. Diese Liebe bildet die Grundlage für die Liebe zu Allāh. Jede andere Liebe ist – aus der Sicht des Qur’ān und der Sunna betrachtet – bedeutungslos. Und der einzige Weg, zur Gottesliebe zu gelangen, besteht darin, ihn zu lieben. Die hingebungsvolle und leidenschaftliche Liebe zum Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – ist sozusagen das Rückgrat wahrer Gottesliebe. Der ehrwürdige Meister Maulānā Jalāl al-Dīn Rūmī ruft uns zu:

Komm herbei, O Herz, der wahre Festtag ist der Tag der Ankunft des edlen Muhammad!

Denn aller Glanz des Universums erstrahlt im Licht der Schönheit dieses gesegneten Wesens.

Auf dem Weg der Lauterkeit, der zur reinen Gottesliebe führt, stellt die Liebe zum Propheten – Segen und Frieden seien auf ihm – den höchsten Punkt dar, den ein Mensch erreichen kann. Denn Allāh, der Erhabene, hat allen menschlichen Fähigkeiten, einschließlich der Wahrnehmung und dem Verstand, Grenzen gesetzt, während Seine göttliche Essenz – in ihrer absoluten Transzendenz – jenseits aller Grenzen, jenseits aller Jenseitigkeit, in unerreichbarer Entfernung liegt. Allāh der All-Erhabene sagt darüber hinaus:

{Wahrlich, euer engster Vertrauter ist Allāh, sowie Sein Gesandter und diejenigen, die gläubig sind – diejenigen, die das Gebet verrichten und die Zakāt entrichten.} (5:55)

Aus diesem Vers können wir entnehmen, wem sich die Gläubigen in vertraulicher Freundschaft zuwenden sollen, nämlich Allāh, dem Erhabenen, Seinem Gesandten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden –, sowie denen, die sich ganz Allāh hingegeben haben, den Rechtschaffenen und allen Gläubigen.

Die Liebe zu Allāh fordert von uns zugleich, das Licht Muhammads zu lieben, sein ehrwürdiges Wesen zu lieben, die Gottesfreunde zu lieben und dann, entsprechend dem Grad ihres Ansehens in der göttlichen Gegenwart, jeden von Allāh Gewürdigten zu lieben. Ein solcher Zirkel der Liebe in Hinwendung zu Allāh ist ein Quell der Barmherzigkeit, der die Seelen erquickt.

Jede Liebe, die sich außerhalb dieses Kreises bewegt, widerspricht der inneren Logik dieses hohen Ideals von Liebe. Deshalb stellt die Liebe zu Allāhs Gesandtem – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – und seinen wahren Erben, den Gottesfreunden, einen Segen dar, während Reuegefühl und Scham in dieser Welt und in der nächsten diejenigen erwarten, welche diesen feindselig gegenüber stehen. So wie Allāh, der Erhabene, es in einem Hadīth qudsī[2] ausdrückt:

Wer einem Meiner Vertrauten [walī] Feindschaft entgegenbringt, dem habe Ich den Krieg erklärt![3]

Und in einem Vers des Edlen Qur’ān beschreibt Allāh, der Erhabene, die Gläubigen als diejenigen {die einander in Barmherzigkeit begegnen} (48:29). In einer weiteren Überlieferung heißt es über die Gläubigen:

Sie besuchen jene, die nicht zu ihnen kommen, sind freigiebig gegenüber denen, die ihnen nichts geben und vergeben jenen, die ihnen Unrecht tun!“[4]

Die Herzen der Gottesfreunde gleichen Muscheln, die – gesegnet vom segensreichen Schauer eines warmen Frühlingsregens – mit ihrem schillernden Perlmutt kostbare Perlen produzieren. Indem sie den sorgengeplagten Herzen ihre Liebe schenken, verwandeln sie diese mit der subtilen Gnade Allāhs [lutf Allāh] in edle Perlen. Dabei genügt es schon, wenn der Suchende den im Perlmutt verborgenen Regentropfen erkennt. In einem der Kommentare zu Maulānā Rūmīs Mathnawī finden wir die folgende Erklärung:

Allāh, der Besitzer des göttlichen Wortes, flüsterte ein Geheimnis ins Ohr einer Wolke, und aus ihren Augen stürzte das Wasser wie aus Schläuchen hervor. Er vertraute dem Ohr der Rose ein Geheimnis an, und verlieh ihr damit königliche Farben und Duft. Er teilte dem Stein ein Geheimnis mit, und dieser verwandelte sich in der Verborgenheit der Mine in glänzend schimmernden Achat. Das heißt, mit Seiner Eigenschaft der subtilen Gnade ließ Er die Wolke segensreichen Regen spenden, veredelte Er die Rose und verlieh Er dem Stein seine Kostbarkeit.

Und auch dem Menschen vertraute Er ein Geheimnis an. Diejenigen, die dieses Geheimnis bewahren, hebt Er empor in die Ewigkeit. Sie bekommen ihre Inspirationen von der Welt des Göttlichen und erfahren, befreit von ihrer Körperlichkeit, das Geheimnis der Gottesnähe.

Im Verlauf der Geschichte waren es die Propheten und Gottesfreunde, denen dieses Geheimnis zuteil wurde, indem sie die höchsten Stufen der Liebe verwirklichten und so zu Vorbildern für die vollkommene Verwirklichung der gottgegebenen natürlichen Anlagen des Menschen wurden.

Möge Allāh uns die Gnade wahrer Liebe zu Ihm, zu Seinem geliebten Propheten und Seinen vertrauten Gottesfreunden gewähren!

Möge Allāh, der Erhabene, Seine Gabe des Lebens nicht von uns nehmen, bevor wir die rechtschaffenen Werke verrichtet haben, die für unsere Vergebung im Jenseits nötig sind, und nicht bevor unsere Herzen von der prachtvollen Manifestation göttlicher Liebe erfüllt sind!

Āmīn!

 

[1] Vom Autor zitiert aus Sahih-i Buhārī Muhtasarı, Bd. IV, S. 45.

[2] Ein Hadīth qudsī ist eine Überlieferung, die eine direkte Eingebung Allāhs an den Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – wiedergibt, im Gegensatz zum Qur’ān, der das Wort Allāhs, überbracht vom Erzengel Jibrīl, ist, sowie zu einem gewöhnlichen Hadīth, welches eine Überlieferung einer Aussage des Propheten oder eines seiner Gefährten ist.

[3] Überliefert in Sahīh al-Bukhārī, Riqāq, 38.

[4] Ihyā ‘Ulūm al-Dīn, Bd. III, 1151.