Muhammad (sav) als führender/regierender Prophet

Die Mission Muhammads (sav) als Prophet setzt sowohl einen Maßstab für die Perfektion des persönlichen und geistigen, als auch des sozialen und materiellen Lebens und bietet in beiden Bereichen ein Modell für die Menschheit. Die Muslime anerkennen als Gläubige in beiden Bereichen die Position und Autorität des Propheten als Wegweiser. Man kann jedoch erkennen, dass die islamische Welt ihn weniger als Begründer einer neuen sozialen Ordnung kennt, sondern vielmehr an seiner persönlichen und geistigen Führung interessiert ist. Dies ist auch sichtbar in der Literatur über den Propheten. Die Tatsache, dass sich das soziale Leben der Muslime im Laufe der Geschichte stets im Rahmen des Korans und der Sunna entwickelte,hatte natürlich auch einen gewissen Einfluss auf jenes Interesse; geistige Reife und tugendhafte persönliche Lebensführung wurden als Mittel angesehen, eine geordnete und friedliche Gesellschaft zu erstellen. Die Tatsache, dass die westliche Welt in ihrem religiösen Verständnis die Religion und das materielle Leben voneinander getrennt betrachten und folglich nur die persönliche und geistige Führung der Propheten annimmt, erschwert den Einblick in die soziale Mission Muhammads (sav) und seine historische Bedeutung, weshalb man daraus generell auch schlussfolgert, dass der Prophet sich zu viel sozial und politisch engagiert habe. Ein weiteres Problem ist, dass der Westen die von Muhammad (sav) gegründete Zivilisation über Jahrhunderte hin bekämpfte und ihr feindlich gegenüberstand und ihre sich im Mittelalter geformte Auffassung mit ihren Vorurteilen und ihrer ablehnende Haltung immer noch nicht aufgeben will.

Man versuchte den außergewöhnlichen Erfolg des Gesandten, dem Begründer einer weltweiten Bewegung, aus geistiger und sachlicher Sicht zu erläutern. Religiöse Gelehrte und Muslime sind der generellen Auffassung, dass sein Erfolg auf seine Prophetie und göttliche Auserwähltheit zurückzuführen ist; westliche Wissenschaftler und Historiker hingegen sind der Ansicht, dass dieser Erfolg auf historischen Tatsachen und ähnlichen Erfahrungen beruht und vor allem die attraktive Führerschaft und charismatische Ausstrahlung des Propheten ausschlaggebend gewesen ist. Die aus islamischer Sicht vorbildhafte Persönlichkeit Muhammads (sav) muss seiner historischen Person nicht unbedingt als Gegensatz gegenüberstehen; im Gegenteil, die beiden Aspekte des Propheten bedürfen lediglich eigener Forschungswege und verschiedener analytischer Methoden. Für den Gläubigen besteht kein Zweifel an der Unterstützung und Hilfe Allahs für seinen Gesandten. Folglich würde die Ignorierung seiner erhabenen Eigenschaften Gefahr laufen, seine menschlichen Qualitäten allein auf eine einfache Übermittlung der heiligen Botschaften zu reduzieren.

Man muss hier daran erinnern, dass der Prophet, trotz all seiner erhabenen Fähigkeiten und Eigenschaften, ein Leben wie jeder andere geführt hat und in seiner einfachen Lebensweise ein Vorbild für seine Mitmenschen gewesen ist. Andernfalls könnte sein Leben, wie auch im Koran dargelegt, auch nicht als zu befolgendes Ideal angesehen werden. Er wurde für alle Menschen, mit ihren verschiedenen Persönlichkeiten, Moral, Sehnsüchten und Neigungen, als Wegweiser gesandt und war ausgestattet mit einer seelischen und geistigen Reife, welche alle individuellen und sozialen Ansprüche der Menschen erfüllen konnte. Seine Verhaltensweise besaß eine Tiefe und Weite, die alle Menschen und Gesellschaften mit all ihren Veranlagungen umfassen konnte. Und die Tatsache, dass Muhammad (sav) der einzige Prophet und Führer der Menschheitsgeschichte ist, der seine Werte auf politischem, rechtlichem, ökonomischem und sozialem Gebiet durchsetzen konnte, ist auf seine menschliche Führungsmission und Qualität als Wegweiser der Zivilisation zurückzuführen.

Seine Aufgabe war nicht nur die Verkündung der Offenbarung; die Menschen zu der verkündeten Religion einzuladen, das Wesen der Religion zu erläutern und auszuleben[1], seine Mitmenschen in diesem Sinne zu führen und recht zu leiten[2], und ein neues Gesellschaftsmodell zu errichten, all dies gehörte zu seinem Aufgabengebiet. Schließlich liegt der Sinn der Prophetie nicht nur in der Verkündung bestimmter Grundsätze, sondern auch im individuellen und sozialen Wandel.

Der Gottesgesandte unterscheidet sich in seiner menschlichen Eigenschaft als Geschöpf Gottes von allen anderen in seiner Mission und der damit verbundenen geistigen Persönlichkeit. Der Koran betont auf der einen Seite die menschliche Natur des Propheten und unterstreicht auf der anderen Seite seinen ausgezeichneten, vollkommenen Status und seine Überlegenheit gegenüber anderen Menschen. Der Befehl Allahs, Ihm und seinem Gesandten Gehorsam zu leisten, und sich bei Streitigkeiten an Allah und seinen Gesandten zu wenden[3], zeigt, dass die Annahme seiner rechtlichen und politischen Urteile eine Folge des Glaubens ist und diese zweifache Gehorsamkeit im Grunde dieselbe und eine einzige ist. Der Hinweis, dass Allah den vorher gesandten Propheten Weisheit (hikmet) und Herrschaft (mulk) schenkte[4] deutet darauf hin, dass diese auch ihm als Propheten zustehen. Im Koran wurde jedoch für Muhammad (sav) anstelle von Herrschaft (mulk) das Wort „hukm" verwendet. Nach einer Überlieferung von Ahmed b. Hanbel heißt es, dass Allah dem Propheten die Wahl zwischen der Qualität als „Herrscherprophet" und „Dienerprophet" gab und er den Rat Gabriels, Allah gegenüber bescheiden zu sein, befolgte und die Eigenschaft des „Dienerpropheten" wählte.[5] Als jemand einst in der Anwesenheit des Propheten vor Ehrfurcht zitterte, sprach dieser zu ihm: „Bleib ruhig, ich bin kein Herrscher."

Die Gründung einer vorbildlichen islamischen Gesellschaft basierte auf der Autorität Muhammads (sav). Wie bereits erwähnt, wird seine Autorität über die Muslime und alle damit verbundenen Eigenschaften und Tätigkeiten im Koran zum Ausdruck gebracht. Erläutert wird dieser Gehorsam gegenüber Muhammad (sav) durch die zweifelsfreie Annahme und unwiderrufliche Hinnahme seiner Führung und seiner Urteile. Während der Gehorsam gegenüber Allah das Fundament zum Gehorsam gegenüber dem Propheten darstellt, ist der Gehorsam gegenüber dem Propheten die einzig sichtbare Verdeutlichung des Gehorsams gegenüber Allah: „Wer dem Propheten Gehorsam leistet, leistet Gehorsam gegenüber Allah". Seine Prophetie beschränkt sich nicht allein auf geistige und seelische Rechtleitungen, sondern beinhaltet auch soziale, politische und militärische Aktivitäten zur Gründung einer islamischen Gesellschaft (Umma), weshalb der Gehorsam gegenüber Muhammad (sav) nicht nur im geistigen, sondern auch im sozialen Leben erforderlich ist. Aus diesem Grund dienten die Verse, die zu Medina geoffenbart wurden, nicht nur der Verwirklichung der religiösen, sondern auch der sozialen, politischen, ökonomischen und militärischen Entwicklungen und erstellten die Basis einer dynamischen Gesellschaftsstruktur.

Im Westen wurden einige unbegründete, rücksichtslose, sogar lächerliche und zum Teil neuartige Bemerkungen über Muhammad (sav) ausgesprochen, welche traditionell ablehnenden Charakters sind und darzulegen versuchen, dass der Prophet zu seiner Zeit in Mekka nachsichtig und weitherzig gewesen sei und später in Medina, aufgrund seiner neu erlangten Macht, sich zu einer politischen Person wandelte und gewalttätig wurde, und demnach grundsätzlich politische Interessen pflegte.

Diese Anmaßungen basieren einerseits auf dem Unvermögen, die damaligen geschichtlichen und politischen Umstände vorurteilsfrei zu beurteilen und andererseits auf dem Unverständnis dafür, dass Muhammad (sav), im Gegensatz zum Jesusverständnis des Westens, gleich manchen ihm vorangehenden Propheten, die Mission annahm, eine neue soziale Ordnung zu schaffen.

Die Ignoranz dieser Tatsache und die subjektive Betrachtung der historischen und politischen Umstände wurden von einigen westlichen Wissenschaftlern aber auch als unbegründet kritisiert. Rudi Paret deutet z. B. darauf hin, dass man nicht den Fehler begehen dürfe, Muhammad (sav) aus der christlichen Perspektive zu bewerten, welche das Reich Christi als nicht von dieser Welt akzeptiert. Nach Paret ist der Gottesgesandte während der Errichtung einer arabisch-islamischen Gemeinschaft nie auf Gewalt aus gewesen; im Gegenteil, er nahm selbst seine größten militärischen Errungenschaften voller Bescheidenheit auf und führte diese auf die Allmacht Allahs zurück. Es veränderte nichts an seiner grundsätzlichen Haltung und sein Pflichtbewusstsein blieb stets bestehen. Gelehrte wie Bosworth Smith und Edith Holland betonen, dass Muhammad (sav) zu seiner Zeit in Medina aufgrund der vorherrschenden Umstände und Erfordernisse Gewalt anwenden musste. Die Engländerin E. Holland beschreibt den Propheten und seine Gefährten in ihrem Buch aus dem Jahre 1914, einer Zeit, in der ihr Land gegen Deutschland einen Krieg führte, sehnsüchtig als Vorbilder, die für ihren Glauben alles zu opfern bereit waren. Edward Gibbon bemerkt, dass jeder das Recht hat, sein Leben und seinen Besitz zu schützen und sich gegenüber seinen Feinden zu wehren und erklärt ferner, dass Muhammad (sav) trotz seiner friedlichen und wohlwollenden Mission von seinen Landsleuten dem ungerechten Exil und der Ausbeutung ausgesetzt war und seine Entscheidung eine unabhängige Gesellschaft außerhalb von Mekka zu errichten, ihn zum Führer machte und er volle Befugnis besaß, Abkommen zu treffen und Verteidigungskriege zu führen.

Viele westliche Autoren sind jedoch der Auffassung, dass die geistige Seite Muhammads (sav) seine menschlichen Eigenschaften und Aktivitäten stets übertraf, seine Führerperson im Hintergrund blieb und er sich eher in seiner geistigen Rolle entfaltete. Dieser Ansicht nach würden eine Abstrahierung dieser Tatsache und die Beschränkung seiner Qualitäten auf die eines Staatsmannes und die damit verbundene getrennte Betrachtung seiner Persönlichkeit (derjenigen während der Zeit zu Mekka und derjenigen zu Medina) falsch seien, und folglich gegen die historischen Tatsachen sprechen und nicht nur den Propheten falsch wiedergeben, sondern auch einem falschen Islamverständnis dienen.

Die Führung

Nach der Erfahrung der Zeit in Mekka wurde deutlich, wie wichtig die politische Souveränität für eine universale Verkündung des Islam und für ein friedliches und sicheres Leben der Muslime war.

Bei der Errichtung einer politischen Einheit zwischen den unterschiedlichen Arabern, Juden und Muslimen stellten sich dem Gottesgesandten die vergangenen Stammesstreitigkeiten der Aws und Khazradsch und auch der passive Widerstand der Juden und Ungläubigen, bestehend aus den Stämmen Bani Qaynuqa, Bani Nadir und Bani Qurayza in den Weg. Auch wenn die Bekehrung der zwei Stämme und die Anerkennung der Führerschaft des Propheten einen ersten Schritt darstellten, wurde dem Propheten sehr früh klar, dass die jüdische Gemeinde, trotz des politischen Integrationsversuches im Medina-Abkommen, sich aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht assimilieren konnte und eine Gefahr für die religiöse Einheit der Muslime darstellte und die islamische Gemeinschaft sie aus diesem Grund ausschließen musste. Mit der Bewältigung dieses Problems konnte schließlich, ohne jegliche Streitigkeiten, eine vollkommen islamische Gesellschaft gegründet werden.

Mit der Hidschra (Auswanderung nach Medina) trat die politische Persönlichkeit Muhammads (sav) und seine Stellung als Staatsmann in den Vordergrund. Seine politische Regierungstätigkeit und die Gründung einer richtigen Beziehung zwischen der neuen muslimischen Gesellschaft und anderen Gruppen gewann neben seiner religiösen Führung immer mehr an Bedeutung. Muhammad (sav) wurde nicht mit seiner Ankunft in Medina zum sofortigen Führer und Herrscher ernannt. Erst durch die Bekehrung der Menschen in Mekka und anderen Gebieten und deren Einreise nach Medina gewann der Prophet immer mehr an Souveränität und übernahm stufenweise die Kontrolle der Stadt.

Spätere Entwicklungen sicherten ihm seine politische Führung und ein, zwei Jahre vor seinem Tod hatte sich die Mehrheit der arabischen Stämme zum Islam bekehrt und unter seiner Führung eine große politische Einheit gegründet. M. Watt bemerkt, dass dieser Erfolg des Gottesgesandten auf seinen Charakter, seine staatsmännische Weitsicht, seine Führungsqualitäten und seine Feinfühligkeit im Umgang mit den Mitmenschen zurückzuführen ist, doch er fügt dem auch hinzu, dass neben der Attraktivität des Islam und der Tatsache, dass der Islam als religiöses und soziales System den Bedürfnissen der Araber entgegenkam, das gutmütige Verhalten des Propheten und seine politische Führung eine wesentliche Rolle gespielt haben. Nach Watt hatte die perfekte Führung der Gesellschaft und die glückliche Erwiderung seines gutmütigen Verhaltens die Kluft zwischen der harmonischen islamischen Gesellschaft und dem unruhigen, unsteten, dieser Gemeinschaft nicht zugehörenden sozialen Umfeld vergrößert.

Die Entwicklungen unter der Führung Muhammads (sav) veränderten die politische Struktur der arabischen Halbinsel innerhalb von einem Vierteljahrhundert; die zumeist aus Nomadenstämmen bestehenden Araber wurden zum ersten Mal vereint und wurden zu einem Volk. Der Gottesgesandte hatte den religiösen und sozialen Strukturen und Institutionen aus der vorislamischen Zeit den Kampf angesagt und versuchte im dekadenten und moralisch verkommenen Medina eine neue moralische und soziale Ordnung zu schaffen. Er hatte die Stammesfeindschaften, die soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufgehoben, zerstörte die vorher so wichtige, als adlig anerkannte Abstammung und behob die irrationalen Hindernisse, welche die Individuen voneinander trennte. Er schuf eine Gesellschaft, die sich auf Bruderschaft, Loyalität und Liebe stützte. Er verhinderte die Tötung von neugeborenen Mädchen und die Misshandlung von Frauen. Er erhob die Frau, die bis dahin unter der unterdrückenden Führung des Mannes litt, auf eine Ebene, in der sie das Leben mit dem Mann partnerschaftlich teilen, eigene Rechte beanspruchen und Verantwortungen übernehmen konnte. Sie war nun befugt, einen Beruf auszuüben, Eigentum zu besitzen und eigenständige Ausgaben zu machen. In den Bestimmungen zum Familienrecht (Eheschließung, Scheidung, Erbschaft) kam ein neues Verständnis auf, welches die Frau als unabhängiges Wesen definierte. Die einseitige Aufhebung der Sklaverei war aufgrund der damals vorherrschenden globalen Umstände nicht möglich gewesen, jedoch wurden auch hierfür sämtliche Maßnahmen getroffen. Und zwar so, dass schon nach kurzer Zeit freigelassene Sklaven als Gelehrte, Künstler usw. vor ihre früheren Herren treten konnten.

Als im zehnten Jahr der Hidschra ganz Arabien unter die Herrschaft des Islam kam und die Gebiete um Medina zu Ländern des islamischen Staates wurden, pflegte Muhammad (sav) seine eigenen Stammesleute als Boten zu schicken. Seine Maßstäbe für eine Entsendung waren allein der Verdienst und die persönliche Fähigkeit und nicht die gesellschaftliche Stellung der Person. Und stellte sich ein Bote als unfähig heraus, so wurde dieser unverzüglich ersetzt. Personen, die zwar sehr belesen waren, aber diese Aufgaben nicht erfüllen konnten, wurden zurückgehalten. In der Führung galten nicht die Stammesüberlegenheit, der Adel, Reichtum oder Klassenstand sondern das Talent, der Glaube und die Tugend; es wurde also jedem eine gleichberechtigte Chance zur Selbstentfaltung gegeben. Dies ist auch darin zu sehen, dass er junge, begabte Gefährten an wichtige Stellen setzte.

Ein für Muhammad (sav) unverzichtbarer Bestandteil der Führung war die gegenseitige Beratung. Insbesondere bei wichtigen Urteilen pflegte der Prophet seine Gefährten um Rat zu fragen; und auch wenn das Urteil entgegen seiner Ansicht fiel, wie z. B. beim Kampf zu Uhud, wurde das gemeinsame Urteil angenommen.

Der Gottesgesandte legte auch besonderen Wert darauf, die Hindernisse zwischen Regierenden und Regierten zu beheben. „Wer sich der Angelegenheiten der Menschen annimmt und zwischen sich und den Armen und Schwachen Hindernisse stellt, vor den wird Allah am Jüngsten Tag ein Hindernis stellen",; „Wer sich den Angelegenheiten der Muslime annimmt und sich dann von den Armen, Unterdrückten und Bedürftigen abwendet, dessen Nöten wird Allah sich abwenden" und „Übermittelt mir die Not des Bedürftigen. Wer einem Führer die Not eines Bedürftigen übermittelt, dem verleiht Allah am Jüngsten Tag Standhaftigkeit"; diese Überlieferungen (Hadith) deuten auf seine diesbezüglichen Bestrebungen. Und mit dieser Absicht ging er unter das Volk, besuchte Märkte, hörte sich Beschwerden an und griff je nach Bedarf in Handlungen ein. Seinen Beauftragten erteilte er stets die Anweisung „Spricht frohe Botschaften aus, ruft keinen Hass hervor; vereinfacht die Dinge, erschwert sie nicht". Er war entschieden gegen einen materiellen Interessenkampf der beauftragten Staatsmänner und führte in diesem Sinne strenge Kontrollen durch.

Außenbeziehungen

Nach der Einwanderung des Gottesgesandten in Medina bekehrten sich die arabischen Stämme zum Islam und allein die Juden hielten sich zurück. Es ist am gesamten Verhalten des Propheten zu erkennen, dass er keinerlei Vorurteile gegenüber den Juden besaß; er hatte sogar im Medina-Abkommen eine zivile Gleichberechtigung zwischen Muslimen und Juden ausgerufen. Doch es stellte sich schon bald heraus, dass die Juden die Gefahr erkannten, ihr „Auserwähltsein" innerhalb einer gemischten Gesellschaft und unter fremder Führung zu verlieren, sie jedoch auf dieses Privileg nicht verzichten wollten. Der Prophet Muhammad (sav) war nicht daran interessiert, die Juden zum Islam zu bekehren; er wünschte lediglich ein Abkommen für die Sicherstellung eines gemeinsamen Miteinanders. Doch entschieden sich die Juden, auch wenn sie ihr Bündnis mit dem Quraischstamm nicht offen zugaben, als eine oppositionelle Gruppe gegenüber den Muslimen zu funktionieren. Als die Spannung mit der Zeit anstieg und eine sehr unsichere Atmosphäre herrschte, änderte auch der Prophet seine Einstellung gegenüber den Juden und entschied weniger aus religiösen, sondern vielmehr aus politischen, sozialen und ökonomischen Gründen, die Juden aus diesem Gebiet zu entfernen.

Solange es aus religiöser Sicht nichts einzuwenden gab, fügte sich der Prophet auch diplomatischen Formalitäten. Ein Beispiel ist, als man ihn daran erinnerte, dass der byzantinische Kaiser nur versiegelte Briefe lese und er daraufhin seinen Brief an den Kaiser versiegeln ließ. Und wieder ließ er nach dem Brauch der Araber zunächst bei seiner Ankunft in Medina und später bei seinen Feldzügen stets eine Flagge oder Fahne tragen. Der Gottesgesandte erwies in seinem formalen Schriftverkehr mit den Staatsherren außerordentlich feine diplomatische Vorsicht und Weisheit und auch seine Boten besaßen ausgezeichnete diplomatische Fähigkeiten, was sich an ihren bewundernswerten Reden und Verhaltensweisen vor den verschiedenen Herrschern zeigte.

Sein sanftes und großzügiges Verhalten gegenüber Staatsmännern anderen Glaubens, bei Verhandlungen über Friedensabkommen und bei seinen Bemühungen um Friedensbewahrung, war ein Teil seiner Außenpolitik. „Wenn euch der Weise (Führer, Adlige, Angesehene) eines Stammes besuchen kommt, so bewirtet ihn". Dieses Hadith wird von den Gelehrten so interpretiert, dass die Religion in solch einem Fall keine Rolle spielt und der Gottesgesandte sich selbst gegenüber nichtmuslimischen Führern bescheiden verhielt, sie gut bewirtete und ihrem Amt Achtung entgegenbrachte. Als der weise Abraha b. Schurahbil al-Himyari als Bote kam, warf der Gottesgesandte seinen Umhang auf den Boden, damit dieser sich darauf setzen konnte. Und auch als Adi b. Hatim zu Besuch kam, wurde ihm ein Kissen zurechtgelegt; dies beeindruckte ihn sehr und er bezeugte, dass er nicht nach diesseitiger Überlegenheit und Verwirrung strebe, und wurde so zum Muslim. Viele Stammesoberhäupter - und mit ihnen der gesamte Stamm - bekannten sich aufgrund dieser wohlwollenden Verhaltensweise des Gottesgesandten zum Islam.

Wirtschaft

Muhammad (sav) setzte nicht nur die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, er verwirklichte sie auch. Die neuen ökonomischen Maßnahmen hatten die Kluft zwischen Arm und Reich erheblich reduziert; es kam zu einem natürlichen Gleichgewicht. Die Armen waren nicht neidisch auf die Reichen und unterstützten deren Wohlbefinden, und die Reichen nahmen die Armen in ihren Schutz.

Der Prophet legte zunächst einen Marktplatz fest, wo nur muslimische Händler ihre Geschäfte betreiben konnten. Er verordnete, dass dieser Marktplatz nicht verkleinert werde, dass es keine festen Stammplätze gebe und dass auf dem Marktplatz keine Steuern erhoben werden durften. Dies ermöglichte den Muslimen sowohl einen nach den islamischen Normen abgewickelten Handel, als auch die Möglichkeit der Gründung einer unabhängigen Wirtschaft, die nicht unter der finanziellen Überlegenheit der Andersgläubigen und insbesondere der Juden litt. Der steuerfreie Handel reduzierte die Unkosten und stellte somit einen attraktiven Markt dar, die nicht dauerhafte Besetzung der Marktplätze sorgte für Gerechtigkeit unter den Händlern und die damit verbundene Ablehnung von Privilegien unterstützte die Unternehmenslust der Händler. Der Gottesgesandte segnete die Lieferanten des Marktes und verfluchte den Schwarzmarkt und verbot auch die Verzollung von Gütern im städtischen Transport und sorgte somit für eine ständige Warenzufuhr in Medina.

Mit dem Wachsen der islamischen Gesellschaft und der Zunahme der eingenommenen Steuern beauftragte der Prophet Muhammad (sav) Beamte zum Einsammeln der Zakat (Almosensteuer), Dschizya (Schutzsteuer für Christen und Juden), Kharadsch, Uschur und ähnlichen Steuerabgaben und stellte Schriftführer zur Notierung der Steuereinnahmen ein. Er hatte zudem befohlen, bei der Einsammlung der Almosensteuer keinen Zwang auszuüben und kein Unrecht zu tun. Die Beauftragten richteten sich nach dieser Anweisung des Propheten und achteten darauf, dass nicht das wohlgenährteste Tier abgegeben wurde, und wenn doch, so pflegte der Gottesgesandte dieses wieder zurück zu erstatten.

Der Prophet behielt nichts von den reichen Steuereinnahmen aus den zu seinen Lebzeiten eroberten Gebieten und den ihm zugesandten Geschenken für sich. Er legte die jährlichen Unterhaltskosten für seine Familie beiseite und spendete den gesamten Rest auf dem Wege Gottes. Trotz seiner Autorität und diesem Reichtum begnügte er sich mit dem Geringsten, bat Allah stets nach dem Geringsten und führte ein schlichtes und bescheidenes Leben. R. Bosworth Smith bewertet dieses schlichte und bescheidene Dasein des Gottesgesandten als den Höhepunkt seiner Erhabenheit und bewundert seine Überwindung übermenschlicher Hindernisse, seine atemberaubend schöne Lebensweise, seine wundervollen Werke und die Tatsache, dass er den Respekt der gesamten arabischen Halbinsel gewonnen hatte, ein zuvor noch bei keinem Araber gesehenes Beispiel für Moral vorlebte, und trotz alldem stets betont hatte, dass er ein sterblicher und einfacher Mensch sei wie alle anderen auch.

Der Gottesgesandte setzte mit seiner persönlichen Beispielhaftigkeit auf individueller und sozialer Ebene die Maßstäbe der individuellen Perfektion und mit dem von ihm durchgeführten gesellschaftlichen Wandel setzte er die Maßstäbe der sozialen Perfektion. Sein Leben steht auf allen Gebieten für Gleichgewicht und Harmonie.

Für den vollständigen Text: Ahmet Özel: Yönetici Peygamber Olarak Hz. Muhammed, Divan Ilmi Arastirmalar, 2006/1.

http://www.derletzteprophet.info/muhammad-sav-als-fuhrenderregierender-prophet (15.02.2011)

 

[1] Qur’ân, 2:151; 3:164; 62:2.

[2] an-Nisa 4/105.

[3] an-Nisa 4/59.

[4] Qur’ân, 2:251; 4:54; 38:20.

[5] Ahmad ibn Hanbal: Al-Musnad, 11:231.