Die Abgabe auf landwirtschaftliche Erzeugnisse (´Uschr)

´Uschr nennt man die Abgabe, die Bauern von ihrer Ernte entrichten müssen, ein Gebot, dass bei den meisten muslimischen Bauern fast vollständig in Vergessenheit geraten zu sein scheint. ´Uschr bedeutet auf Arabisch ‚Zehntel’, das heißt, dass der zehnte Teil der Ernte den Armen gegeben werden soll. Dies gilt dann, wenn die Ernte ohne künstliche Bewässerung erzielt wurde. Wenn der Bauer zusätzliche Aufwendungen für Bewässerung oder ähnliches gehabt hat, muss er nur ein Zwanzigstel seiner Ernte abgeben.

Das Nicht-Zahlen der ´Uschr ist genauso schlimm wie das Nicht-Entrichten der Zakât. Einen Teil der Ernte abzugeben ist ein Ausdruck des Danks an Allah für seine Versorgung. Diejenigen, die den Armen, den Reisenden und anderen rechtmäßigen Empfängern der ´Uschr nicht ihren rechtmäßigen Anteil geben, bringen damit in Wirklichkeit diese Bedürftigen um ihren Besitz, der ursprünglich eine Gnadengabe Allahs des Allmächtigen ist.

Es wird berichtet, dass im Jemen, nahe der Stadt Sana ein wohlhabender und großzügiger Mann lebte. Er besaß Dattelhaine und Felder, die gute Erträge lieferten. Nach jeder Ernte gab er reichlich ´Uschr an die Armen und Bedürftigen. Als er verstarb, erbten seine Kinder all die Gärten und Felder, doch, im Gegensatz zu ihrem Vater, waren sie habgierig und geizig. Und als die Erntezeit gekommen war, sagten sie:

„Unsere Familie ist sehr groß und wir haben nicht viel Ernte, lasst uns dieses Jahr die Ernte früh einbringen, bevor die Armen es mitbekommen, und alles für uns selbst behalten.“

Nachdem sie sich so entschieden hatten, gingen sie am nächsten Morgen zu ihren Gärten und trauten ihren Augen nicht, so dass sie einander fragten, ob sie überhaupt am rechten Platze seien. Ihre gesamten Gärten waren von einem Unwetter verwüstet, der Blitz hatte eingeschlagen und alles verbrannt und verkohlt.

Solange ihr Vater großzügig die ´Uschr entrichtet hatte, waren ihre Ländereien von Allah gesegnet gewesen und hatten Früchte im Überfluss getragen. Doch wie auch im Qur’ân beschrieben, bringen Habgier, Geiz und die Verweigerung der göttlich auferlegten Pflichtabgaben schreckliche Konsequenzen mit sich:

„Wir prüfen sie, wie Wir die Besitzer des Gartens prüften, als sie schwuren, sie würden sicherlich seine Früchte am Morgen pflücken. Und sie machten keinen Vorbehalt. Da kam eine Heimsuchung deines Herrn über ihn, während sie schliefen. Und am Morgen war (der Garten) verwüstet. Am Morgen riefen sie dann einander zu: ‚Geht in der Frühe zu eurem Feld hinaus, wenn ihr ernten möchtet.’ Und sie machten sich auf den Weg und sagten dabei flüsternd zueinander: ‚Kein Armer darf heute zu euch hinein, ihn zu betreten.’ Und sie gingen in der Frühe hin mit der festen Absicht, geizig zu sein. Doch als sie ihn (den verwüsteten Garten) sahen, sagten sie: ‚Wahrlich, wir sind Irrgeleitete!’“ (68:17-26)

So lehrt uns Allah, dass die Undankbaren, die nicht bereit sind, das zu teilen, was Allah ihnen gewährt hat, bereits in dieser Welt ein übles Ende finden. Für Ihn, der selbst die Geheimnisse in den Herzen kennt, gibt es nichts, das sich Seinem Wissen entzieht.

Meister Jalâluddîn Rûmî beschreibt in schöner Weise die Sinnlosigkeit der Liebe zum Wohlstand, die zu Unbarmherzigkeit und Habsucht führt:

„Das Leben in dieser Welt ist wie ein Traum. In dieser Welt Besitz anzuhäufen ist wie im Traum nach einem Schatz zu suchen. Der Wohlstand dieser Welt, egal von wonach wo man ihn auch trägt, bleibt doch immer in dieser Welt zurück.

Wenn dann zu dem Achtlosen der Todesengel kommt, um ihn aus seinem Traum zu wecken, wundert sich der Bedauernswerte, welche Bedrängnis ihm sein Besitz beim Verlassen dieser Welt bereitet. Tausendfach bereut er seine Schuld, jedoch die Zeit zum Handeln ist verstrichen und alles ist vorbei.“

Und die Worte des heiligen Qur’ân weisen darauf hin, welche Gefühle von Schuld und Reue beim Erwachen am Tag der Auferstehung über jene kommen, die, erfüllt von Geiz und Habgier, nur nach den Gütern dieser Welt streben:

... und spendet von dem, was Wir euch gegeben haben, bevor einen von euch der Tod ereilt und er sagt: ‚O mein Herr! Wenn Du mir nur für kurze Zeit Aufschub gewährtest, würde ich Almosen geben und einer der Rechtschaffenen sein.’” (63:10)

An jenem Tag wird es zu spät sein, die Chance zu ergreifen, die einem in dieser Welt gewährt wurde. Während der obige Vers uns auf der einen Seite über das traurige Ende derer informiert, die nicht ihren materiellen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber nachgekommen sind, ermuntert er uns andererseits zum großzügigen Geben von Spenden.