Die Errichtung der Ka´ba
Wie überliefert wird, trafen Adam und Hawâ – Allahs Friede sei auf ihnen beiden –, nachdem sie bei ihrer Vertreibung aus dem Paradies getrennt worden waren, bei Arafât wieder zusammen und wanderten von dort aus gemeinsam in Richtung Westen. Sie gelangten an den Ort, an dem heute die Ka´ba steht. Um seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen, betete Adam – Friede sei mit ihm – an dieser Stelle und bat Allah, ihm jene Säule des Lichtes wiederzugeben, an der er Ihn im Paradies verehrt hatte. Daraufhin erschien die Säule aus Licht und Adam – Friede sei auf ihm – betete Allah an, indem er sie umschritt.
Diese Säule aus Licht verschwand zu Zeiten des Propheten Schîth – auf ihm sei der Friede Allahs – und ein schwarzer Stein blieb zurück. Schîth – Friede sei mit ihm – errichtete an der gleichen Stelle ein viereckiges Gebäude und baute den schwarzen Stein in eine der Ecken ein. Bei dem uns heute als ‚Hajaru l-aswad’ bekannten Stein handelt es sich um diesen schwarzen Stein. Nach der großen Flut zur Zeit des Propheten Nuh (Noah) – auf ihm sei der Friede – war diese erste, von Schîth errichtete, Ka´ba für lange Zeit unter dem Sand begraben.
Viel später erst siedelte Ibrahim – auf ihm und seiner Familie sei der Friede Allahs – auf Allahs Geheiß seine Frau Hâjar und ihren Sohn Ismâ´îl an diesem Ort an. Gemeinsam mit seinem Sohn Ismâ´îl machte Ibrahim – Friede sei mit ihnen – das Fundament des ersten Tempels ausfindig und errichtete die Ka´ba darauf von Neuem. Als sie die Arbeit beendet hatten, betete er, wie im Qur’ân berichtet wird, zu Allah:
„Mein Herr, mach dies zu einem sicheren Ort und gib Früchte denen, die dort wohnen, wer von ihnen an Allah glaubt und den Jüngsten Tag...“ (2:126)
Es lässt sich leicht feststellen, dass infolge dieses Bittgebets die meisten Menschen in Mekka sowohl die Süße des Glaubens, als auch den Wohlgeschmack der Früchte genießen.
Die Ka´ba wurde insgesamt elf Mal errichtet: Das erste Mal von den Engeln, das zweite Mal von Adam, das dritte Mal von Schîth, das vierte Mal von Ibrahim – der Friede Allahs sei mit ihnen allen. Das fünfte Mal von dem Stamme der Amâlika, das sechste Mal vom Stamme der Jurhumî, das siebte Mal von Qusay, dem Führer der Mekkaner, das achte Mal von den Quraysch, das neunte Mal von ´Abdullah ibn Zubair, zur Zeit der ersten Generation nach dem Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden. Das zehnte Mal von Hajjâj ibn Yûsuf, genannt Hajjâj az-Zâlim, das elfte Mal schließlich von dem osmanischen Sultan Murâd IV.
Die Osmanen besaßen ein hohes Maß an Ehrfurcht und Respekt für die Heiligen Stätten. Ihr daraus resultiertendes vorzügliches Benehmen wurde einmal in besonders schöner Weise während der Herrschaftszeit Murâd IV. deutlich, als die Ka´ba überflutet und ihre Wände stark beschädigt wurden. Der oberste Hofarchitekt, Ridwân Agha, wurde nach Mekka geschickt, um die Restaurierungsarbeiten zu leiten. Nachdem er den Zustand des Gebäudes gründlich geprüft hatte, legte er seinen Untersuchungsbericht vor. Aus Respekt vor der Ka´ba, dem ‚Haus Allahs’, schämte er sich zu sagen, dass die Wände eingestürzt seien und schrieb:
„Einige Wände der Ka´ba haben sich in Sajda begeben.“
Bei den folgenden Restaurierungsarbeiten wurde dann sogar mit größter Sorgfalt dafür gesorgt, dass die Ausscheidungen der Lasttiere nicht den Boden des Heiligtums beschmutzten.
All dies macht deutlich, welch großen Respekt die Osmanen den Heiligen Stätten zollten. Bereits in der Hauptstadt begann diese Haltung der Ehrfurcht, indem der erste Ort jenseits des Bosporus, an dem die Pilger auf dem Weg nach Mekka landeten, Haram, was soviel heißt wie ‚heiliger Ort’, genannt wurde, weil dieses Stückchen Land die Verbindung zu den Heiligen Stätten darstellte. Und dementsprechend benahmen sie sich bereits an diesem Ort so, wie man sich an den Heiligen Stätten zu verhalten hat. Sie ließen es keinesfalls zu, dass irgendjemand sich auf dem Weg zur Ka´ba respektlos verhielt.
Ein außerordentlich beeindruckendes Beispiel für diese Einstellung der Osmanen zu den Heiligen Stätten finden wir in dem Dichter Nâbi:
Im Jahre 1678 n. Chr. machte er sich in Begleitung einer großen Gruppe wichtiger Persönlichkeiten zur Pilgerfahrt auf. Als sie einmal Rast machten, sah er, wie ein hochrangiger Offizier seine Füße in Richtung Medina al-Munawwara, der Stadt des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –, ausstreckte. Im Orient gilt es als Zeichen von großer Respektlosigkeit, jemandem seine Füße entgegenzustrecken. Nâbi war angesichts des achtlosen Verhaltens dieses Offiziers so bedrückt, dass er die folgenden Zeilen verfasste:
„Hüte dich vor der Achtlosigkeit,
dies ist der Ort des Lieblings Gottes,
es ist der Ort auf dem göttliche Blicke ruh’n,
die Stätte Mustafas!
O Nâbi, nähere dich diesem Orte mit vollkommenem Respekt,
denn diese Stätte wird umkreist von Engeln
und geküsst von Propheten!“
Als die Karawane sich Medina kurz vor der Zeit des Abendgebets näherte, hörte Nâbi zu seinem großen Erstaunen, wie der Muezzin auf dem Minarett eben diese Worte rezitierte. Er war sehr aufgeregt und fragte sich, wie dies denn sein könne, wo er diese Zeilen doch erst in der Nacht zuvor gedichtet und sie auch keinem Menschen vorgetragen hatte.
Als er schließlich den Muezzin ausfindig gemacht hatte, fragte er ihn:
„Wo hast du diesen Lobgesang gelernt?“
Der Muezzin antwortete ihm:
„Letzte Nacht sah ich den Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – im Traum und er sagte zu mir: ‚Von meiner Ummah wird ein Dichter kommen, um mich zu besuchen. Sein Herz ist ganz erfüllt von Liebe zu mir. Um dieser Liebe willen heiße ihn, wenn er die Stadt erreicht, mit diesem, seinem eigenen Gedicht willkommen.’ So haben wir diese Zeilen von ihm gelernt und seinem Befehl gehorcht.“
Wie wir aus dieser Geschichte lernen können, besteht das Wichtigste bei den Pilger-Riten darin, dem heiligen Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – und dem Hause Allahs mit höchstem Respekt zu begegnen.
Die Ka´ba, das ‚Haus Allahs’, ist seit den Zeiten Adams – Friede sei mit ihm –, des ersten Menschen und Propheten, stets ein heiliger Ort gewesen. Im edlen Qur’ân wird uns deshalb befohlen, die besonderen Rituale beim Besuch dieser Stätten einzuhalten:
„Wahrlich, das erste Haus, das für die Menschen (zum Gottesdienst) errichtet wurde, ist das in Bekka - gesegnet und eine Leitung für die (Bewohner aller) Welten. Darin sind deutliche Zeichen - die Stätte Ibrahims. Und wer es betritt, ist in Sicherheit. Und der Menschen Pflicht gegenüber Allah ist die Pilgerfahrt zum Hause (Allahs), für den, der dazu in der Lage ist. Wer aber ungläubig ist - wahrlich, Allah ist nicht auf die Welten angewiesen“ (3:96-97)