Der Islam und seine erhabene Natur

Und Sein (Allahs) sind die schönsten Namen“ (20:8)

Alle Religionen im Verlauf der Menschheitsgeschichte, von denen die erste Adam – Friede sei mit ihm – offenbart wurde, waren in ihrer Essenz stets gleich. Veränderungen bezogen sich ausschließlich auf gesellschaftliche Regeln und Gesetze, weil sich die menschlichen Gemeinschaften in einem fortlaufenden Entwicklungsprozess befinden. Diese Veränderungen betrafen jedoch nie die Essenz der Religion. So gleichen in Wirklichkeit alle Religionen, die von Adam – Friede sei auf ihm – , dem ersten Menschen und Propheten, bis zu Muhammad – Segen und Friede Allahs seien auf ihm –, dem letzten der Propheten, offenbart wurden, in ihrem eigentlichen Kern dem Islam.

Deshalb sagte der Prophet – möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken:

Ich bin von allen Menschen dem Sohn der Maria (Jesus) am nächsten - und alle Propheten sind Brüder von einem Vater - und zwischen mir und ihm war kein anderer Prophet.[1]

Es ist also sicherlich falsch, anzunehmen, dass der Islam sich ausschließlich auf den Qur’ân beschränkt; in Wirklichkeit schließt er alle früheren, von Allah offenbarten, Religionen ein. Dabei ist hier mit ‚Religion’ natürlich ihre ursprüngliche Form, vor ihrer Verfälschung durch die Menschen, gemeint. Dies wird auch im Qur’ân in folgendem Vers bestätigt:

Wahrlich, die Religion bei Allah ist der Islam (Gottergebenheit). Und diejenigen, denen die Schrift gegeben wurde, wurden erst uneins, nachdem ihnen das Wissen zuteil geworden war, aus Missgunst gegeneinander. Und wenn jemand Allahs Zeichen leugnet, so ist Allah wahrlich schnell in der Abrechnung.“ (3:19)

Dieser Vers macht auch deutlich, dass der Islam die einzig wirkliche Lösung für die Probleme der Menschheit darstellt. Dabei beziehen wir uns auf die Aussage im Qur’ân, dass der Islam die Rettung sowohl in dieser Welt als auch im Jenseits bedeutet. Im folgenden Vers wird diese Tatsache noch deutlicher:

„Und wer etwas anderes als den Islam (die Gottergebenheit) als Religion will, von dem wird es nicht angenommen werden und er wird gewiss im Jenseits zu den Verlierern zählen.“ (3:85)

Islam ist also eine Religion, die kontinuierlich von Adam an bis zum letzten Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – offenbart wurde und, entsprechend den verschiedenen Entwicklungsstufen innerhalb der Menschheitsgeschichte, immer weiter vervollkommnet wurde, bis sie ihren vollkommensten Ausdruck im Qur’ân fand.

Der Islam lässt sich zusammenfassend in zwei Prinzipien beschreiben:

1. Glaube (I´tiqâd): aufrichtiges Glauben an das Glaubensbekenntnis und seine Säulen.[2]

2. Rechtschaffene Taten: (´Amal as-sâlih): in aufrichtigem Glauben von Allah befohlene gute Werke tun.

Gemäß diesen Prinzipien praktiziert, verleiht der Islam unserem Leben, unserem Denken und Verhalten, eine ausgeglichene Ordnung. Der Islam ist ein Weg, der den Gläubigen zu Allah führt, indem er Verstand, Ohren, Augen, Zunge und Herz mit dem göttlichen Licht verbindet. Fiele die Schönheit des Islam auf einen Felsbrocken, so würde sie diesen Felsen in weiche, fruchtbare Erde verwandeln. Andererseits verwandeln sich die Herzen derer, die vom Islam weit entfernt sind, in hartes Gestein. Nur der Islam ist fähig, sie zu erweichen und zu heilen.

Der Islam vervollkommnet das geistige und praktische Leben der Menschen und führt sie aus der Dunkelheit zum Licht. Diejenigen, die den Islam annehmen, werden aus den tiefsten Abgründen zu den höchsten Gipfeln emporgehoben. Der Islam besitzt die Fähigkeit, einen gewöhnlichen Sterblichen zu einem vollkommenen Menschen zu machen. Diese spirituelle Verwandlung bewirkt der Islam, indem er den Menschen zu seiner ursprünglichen Form zurückführt.

Islam ist ein Gewand der Rechtleitung, das Allah der gesamten Menschheit anbietet, um sich damit zu kleiden. Diejenigen, die dazu bereit sind, erheben sich über ihr sterbliches Sein und erlangen das Elixier der Unsterblichkeit. Allah hat allen Propheten, das heißt, denen, die die Elite der Gottesdiener sind, den gleichen Befehl gegeben: „Als Allah zu ihnen sagte: ‚Gib dich hin!’ sagte ein jeder von ihnen: ‚Ich habe mich dem Herrn der Welten ergeben!’“

Diese Tatsache wird im Qur’ân bezüglich des erhabenen Propheten Ibrahim – Friede sei mit ihm – genau so beschrieben:

Als sein Herr zu ihm sprach: ‚Gib dich hin!’ sagte er: ‚Ich habe mich dem Herrn der Welten ergeben!’“ (2:131)

Diese Ergebung wird in der Erfahrung der Nähe Allahs durch die Anrufung Seiner Namen verwirklicht. Ist doch das tatsächliche Ziel jeglicher Art von Gottesdienst das Erreichen der Gottesnähe, das Erlangen göttlichen Wissens und das Erfahren der Liebe Allahs.

Ein Prediger sprach in der Moschee über den Tod und das, was danach kommt. Er behandelte Fragen, die den Verstorbenen nach ihrem Tod gestellt werden, wie:

„Womit hast du dein Leben verbracht? Wozu hast du deinen Besitz genutzt? Hast du in die Tat umgesetzt, was du gelernt hast? Hast du die Gebote des Islam befolgt und unterlassen, was verboten ist?“

Er sprach über so viele Details und ließ doch das Wichtigste außer Acht. Unter seinen Zuhörern war auch der große Sufi-Meister Schiblî und, um den Prediger an die Essenz der ganzen Angelegenheit zu erinnern, sagte er schließlich:

„O Prediger! Du hast die wichtigste aller Fragen, die Allah Seinen Dienern im Jenseits stellen wird, vergessen! Wenn wir Allah im Jenseits begegnen, wird Er uns fragen: ‚O mein Diener, Ich war die ganze Zeit immer bei dir, mit wem warst du all diese Zeit?’“

Aufbauend auf dem Fundament dieser Art und Stufe von Respekt bedeutet Islam, ein Leben zu führen, in dem wir ständig die Gegenwart Allahs empfinden:

Und Er ist bei euch, wo immer ihr seid.“ (57:4)

Das Heil von Himmel und Erde hängt von unserem Gehorsam Allah gegenüber ab. Das Fehlen unseres Gehorsams führt dazu, dass der Zorn Allahs auf uns herniederkommt:

Das Übel (Katastrophen wie Dürre, Fluten, Erdbeben, Unwetter) ist sichtbar geworden auf dem Lande und dem Meer wegen dem, was die Hände der Menschen angerichtet haben, wodurch Er sie etwas schmecken lässt von dem, was sie getan haben, auf dass sie vielleicht umkehren mögen.“ (30:41)

Dieser Vers drückt aus, dass das Verlassen des Islam eine Zerstörung der Harmonie und Ordnung der Natur zur Folge hat.

Der verständige Betrachter ist in der Lage, Ursachen und den Verursacher der Ursachen zu unterscheiden. Er sieht, wenn er ein äußeres Ereignis betrachtet, seine im Inneren zugrunde liegende, tiefere Bedeutung. Er begreift die Wirklichkeit dieser Welt im Bewusstsein des Jenseits. Er betrachtet die grenzenlosen Himmel und führt dabei ein Leben in ständigem Gedenken der dahinter stehenden göttlichen Erhabenheit. Er weiß um seine Schwäche als Diener und hört nie auf, sich wie ein Diener zu verhalten. Auf seiner Reise in die Welt der Ewigkeit enthüllt ihm Allah viele Seiner göttlichen Geheimnisse. So wirft der Diener sich, mal um mal nieder, in Sehnsucht und Verlangen nach seinem Herrn. Auf diese Weise erfüllt sich der Sinn der Schöpfung und der Diener erlangt ewige Glückseligkeit, wie es der folgende Qur’ânvers beschreibt:

„Wen Allah also rechtleiten will, dem weitet er seine Brust für die Gottergebenheit (Islam) ...“

Doch der Vers geht weiter und beschreibt, wie manche Seiner Geschöpfe weg von Seiner göttlichen Gnade fliehen:

... und von wem Er möchte, dass Er ihn fehlgehen lässt, dessen Brust macht Er eng und bedrängt, als ob er in den Himmel aufsteigt. So belegt Allah diejenigen, die nicht glauben, mit Schändlichkeit.“ (6:125)

Kurz gesagt stellt der Islam die einzige Rettung für die Menschheit dar, wie der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte:

Wer Allah als seinen Herrn anerkennt, Islam als seine Religion, Muhammad als Propheten und dann damit zufrieden ist, den belohnt Allah mit dem Paradies.[3]

Das Wort Islam stammt von der Wurzel ‚silm’ oder ‚salam’, die in ihrer Bedeutung Begriffe wie ‚Frieden’, ‚Hingabe’, ‚Reinheit’ und ‚Aufrichtigkeit’ vereint. Das erste Kapitel des Qur’ân, die Sure al-Fâtiha, ist eine Zusammenfassung der Essenz des Islam. Gemäß diesem Kapitel zielt der Islam darauf ab, die Menschheit zu den Gnadengaben Allahs und zum rechten Weg zu führen, ohne Seinen Zorn auf sich zu ziehen:

„Im Namen Allahs, des All-Gnädigen, des All-Barmherzigen

Lobpreis sei Allah, dem Herrn (und Erhalter) der Welten,

dem All-Gnädigen, dem All-Barmherzigen,

dem Herrscher am Tage des Gerichts.

Dir allein dienen wir und Dich allein bitten wir um Beistand

Führe uns den geraden Weg,

den Weg derer, denen Dein Wohlgefallen gilt,

nicht den derjenigen, denen Du zornig bist und nicht den der Irregehenden.“ (1:1-7)

Der Islam wird gleichermaßen den Bedürfnissen des Glaubens als auch der Vernunft gerecht. Er bewahrt die Menschen vor dem, was ihrem Leben und ihrem Besitz Schaden zufügt, ermöglicht den Schutz nachfolgender Generationen und stellt den schönsten und, im Hinblick auf das Jenseits, einzigen einträglichen Handel dar. Die Vorzüge des Islam könnte man folgendermaßen zusammenfassen:

1. Eine Religion des wahren Glaubens:

Der Islam verfügt über die vorzüglichste Glaubenslehre, die die Menschen in ihrer Würde vor häretischen Lehren wie der Götzenanbetung bewahrt.

2. Eine Religion, die der Seele Nahrung gibt:

Die verschiedenen Formen des Gottesdienstes im Islam sprechen sowohl die Seele als auch den Körper an, weil ihre Verrichtung beide mit einbezieht. Diejenigen, die den Verpflichtungen des Islam nachkommen, leben bereits in dieser Welt ein paradiesisches Leben.

3. Eine Religion der Barmherzigkeit:

Der Islam strebt danach, die Menschen zum Glück und zur Barmherzigkeit Allahs zu führen, obwohl die meisten ihrer Handlungen viel eher nach Vernichtung und Strafe verlangen. Allah der Allmächtige jedoch verkündet, dass Seine Barmherzigkeit größer ist als Sein Zorn. Abû Huraira überlieferte, dass der Gesandte Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – sagte:

Als Allah die Schöpfung erschuf, schrieb Er in Sein Buch - und Er schrieb über Sich Selbst und es ist (geschrieben) bei Ihm auf Seinem Thron: ‚Wahrlich, meine Barmherzigkeit ist größer als Mein Zorn!’“[4]

Die Basmala, die am Anfang eines jeden Qur’ân-Kapitels steht, beinhaltet diejenigen Namen Allahs, die Seine Eigenschaften der Barmherzigkeit am Deutlichsten zum Ausdruck bringen:

Im Namen Allahs, des All-Gnädigen, des All-Barmherzigen“.

Und diese werden auch direkt im ersten Kapitel des Qur’ân im zweiten Vers wieder genannt:

„Lobpreis sei Allah, dem Herrn (und Erhalter) der Welten, dem All-Gnädigen, dem All-Barmherzigen“.

Ar-Rahmân bedeutet: voller Gnade, mitfühlend, barmherzig. Ein weiteres Kapitel des Qur’ân trägt diesen Namen, die Sure ar-Rahmân (der All-Gnädige). In den ersten beiden Versen dieses Kapitels wird uns gesagt, dass Allah aus seiner Barmherzigkeit heraus den Qur’ân offenbarte:

Der All-Gnädige (ar-Rahmân), Er lehrte den Qur’ân.“ (55:1-2)

Diese Worte weisen darüber hinaus darauf hin, dass auch der Inhalt des Qur’ân eine Gnade für die Menschheit ist. Dies geht noch deutlicher aus folgendem Vers in der Sure al-Isrâ hervor:

Und was wir herabsenden vom Qur’ân ist eine Heilung und Barmherzigkeit für die Gläubigen, doch den Übeltätern ist es nichts als Schaden.“ (17:82)

Doch nicht nur der Qur’ân ist eine Barmherzigkeit für die Menschheit, sondern dies gilt auch für den Propheten des Islam, den Überbringer des Qur’ân:

Und wir haben dich zu nichts anderem gesandt, außer als Barmherzigkeit für alle Welten!“ (21:107)

In der Tat hat sich die Richtigkeit dieser Worte im Leben des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – stets bewahrheitet. Nie verfluchte er diejenigen, die ihm Schaden zufügten. In der Stadt Tâif war er gesteinigt worden und hatte die Stadt blutend verlassen müssen. Der Erzengel Jibrîl kam zu ihm und ließ ihn wissen, er sei bereit, die Stadt, deren Einwohner ihn so misshandelt hatten, zu vernichten. Doch der Prophet – Allahs Segen und Friede seien auf ihm – lehnte ab und sagte zu ihm und den anderen Engeln:

Nein, ich will das nicht, ich bin ein Prophet der Barmherzigkeit!

Und er betete sogar zu Allah für sie um Rechtleitung und Wohlergehen.

Wir können daraus schließen, dass die erste Frucht des Islam die Barmherzigkeit ist. Die Gottesfreunde, die dieser goldenen Regel folgen, haben deshalb den Begriff der Dienerschaft Allah gegenüber in zwei Prinzipien zusammengefasst:

1. Ta´zîm li Amrillah: Respektvoller Gehorsam gegenüber den Geboten Allahs

2. Schauqat li Khalqillah: Liebevolle Barmherzigkeit gegenüber der Schöpfung Allahs

4. Eine logische Religion:

Obwohl der Islam kein Produkt menschlicher Intelligenz und menschlichen Verstandes ist, gibt es dennoch keinen Grund, weshalb Religion und Logik, die doch beide Geschenke des Schöpfers sind, einander ausschließen sollten. Der Islam führt den menschlichen Verstand hin zu den nützlichsten und produktivsten Zuständen und versetzt die Menschen so in die Lage, ein ausgeglichenes Leben zu führen, ohne in Extreme zu verfallen.

Mit anderen Worten: menschliche Rationalität kommt erst im Glauben an die Einheit Allahs vollkommen zum Ausdruck und Er fordert von uns immer wieder, unsere Logik und rationalen Fähigkeiten zu nutzen, indem Er an vielen Stellen im Qur’ân sagt: „Afalâ ta´qilûn?“, das heißt: „Wollt ihr denn nicht nachdenken?“

Und auch der Gesandte Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – lädt uns ein, unseren Verstand zu nutzen und über den Sinn unseres Lebens nachzudenken. Er vergleicht den Lohn des Gottesdienstes mit dem des Nachdenkens und sagt:

„Eine Stunde Nachdenken ist wertvoller als sechzig Jahre Gottesdienst.“

Der menschliche Verstand ist als Hilfsmittel erschaffen worden, um den Menschen zu Allah zu führen und zu leiten, seine wichtigste Aufgabe besteht in der Vermittlung der göttlichen Wirklichkeit.

5. Eine Religion der Liebe:

Der Verstand allein reicht jedoch nicht aus, um den Menschen zur göttlichen Wirklichkeit zu führen. Manchmal ist der Verstand unfähig, den Menschen richtig zu leiten und führt ihn stattdessen in einen Abgrund von Zweifeln. Deshalb ist es unerlässlich, dass der Verstand von der Liebe beherrscht und von ihr erleuchtet wird.

Rûmî sagt:

Der, der gesegnet und (mit spirituellen Geheimnissen) vertraut ist, weiß, dass Intelligenz Iblîs[5] gehört, während die Liebe Adams ist.[6]

Liebe ist ein Schiff für die Auserwählten, selten ist Bedrängnis (das Resultat), zum größten Teil ist sie Errettung.[7]

Jene Individuen, die sich, wie manche Philosophen, ausschließlich auf ihren Verstand als Führer verlassen, werden zu Sklaven ihrer äußeren Sinneswahrnehmung. Sie dienen dem, was ihre Augen sehen und ihre Ohren hören können, ohne sich des Verborgenen bewusst zu werden. Der Verstand vermag durch die Liebe Allah zu erkennen, doch für sich allein ist er nur ein Werkzeug, mit dem die Liebe ihren Schöpfer erreichen kann. Liebe beinhaltet Opferbereitschaft. Ein Gläubiger, der seinen Herrn liebt, mag sogar bereit sein, sein Leben auf dem Wege Allahs aufzugeben. Die Gefährten des Propheten – Allah segne ihn und seine Gefährten und schenke ihm und ihnen Frieden – opferten alles auf dem Wege Allahs und Seines Gesandten und erreichten so die höchste Rangstufe in der Geschichte der Menschheit. Wann immer der Prophet – Segen und Friede Allahs seien auf ihm – sie um etwas bat, lautete ihre Antwort:

„Mögen mein Vater und meine Mutter für dich geopfert sein.“

Der Islam ist also eher eine Religion des Herzens als eine reine Verstandes-Religion. Er richtet sich als erstes an das Herz des Menschen.

6. Eine Religion des Gleichgewichtes:

Der wichtigste zugrundeliegende Aspekt des Islam ist das Herstellen einer Balance zwischen den beiden Welten. So wie Allah das Universum in vollkommener Harmonie erschaffen hat, bietet Er den Menschen mit dem Islam einen Weg an, in ihrem Leben zum Gleichgewicht zu finden. Der Islam bringt Ausgleich zwischen dieser Welt und dem Jenseits, zwischen Körper und Seele, zwischen Mann und Frau, zwischen Arm und Reich, zwischen Herrschern und Untertanen ebenso wie zwischen Materie und Geist. Diese scheinbar widerstreitenden Gegensätze verwandelt der Islam in einander ergänzende Gegenstücke. Der Islam opfert oder leugnet nicht das Jenseits um des Diesseits willen, noch den Körper auf Kosten des Geistes, sondern ersetzt den Konflikt zwischen diesen Paaren durch das Wiederherstellen der ursprünglichen Harmonie. Dies ist es, was dem Menschen jene Flügel verleiht, die ihn in höhere Welten tragen können.

7. Eine Religion des Wissens und der Weisheit:

Der Islam ist keine Religion der Ignoranten. Im Gegenteil: der Islam ist die letzte und perfekte Religion, die offenbart wurde, um Unwissenheit zu beseitigen. Darum wird im Qur’ân verkündet, dass Wissen die wichtigste Voraussetzung dafür ist, ein wahrhaftiger und gottgefälliger Gläubiger zu sein:

 „Wahrlich, gottesfürchtig von Seinen Dienern sind die Wissenden, wahrlich Allah ist all-erhaben, all-verzeihend.“ (35:28)

Der Prophet Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte:

Die Vorzüglichkeit desjenigen, der Wissen besitzt, gegenüber einem Gottesdienst Verrichtenden ist wie meine Vorzüglichkeit gegenüber dem Geringsten unter euch.[8]

Doch darüber hinaus verbindet der Islam Wissen mit Weisheit, denn Wissen ohne Weisheit schadet der Menschheit mehr als es nützt. Medizinische Kenntnisse zum Beispiel können, wenn sie ohne Weisheit angewandt werden, eher Schaden anrichten als heilsam sein. Deshalb warnte auch der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden:

Wer sein weltliches Wissen vermehrt ohne gleichzeitig an Weltentsagung und Gottesfurcht zuzunehmen, der entfernt sich von Allah![9]

8. Eine Religion höchster Moralität:

Der Mensch wird als die Krone der Schöpfung angesehen. Er ist der Stellvertreter Allahs auf Erden. Obwohl er ursprünglich aus Ton erschaffen wurde, blies Allah ihm Seinen Geist ein. Der heilige Qur’ân weist uns darauf hin und warnt uns davor, unsere Seelen von unseren niedrigen Gelüsten verunreinigen zu lassen. Er ruft die Menschen dazu auf, ihre Seelen von Lastern zu reinigen, um mit reinem Herzen zu Allah zu gelangen. Der Prophet Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – liefert das beste Beispiel eines Menschen, der dieses großartige Ziel erreicht und den Gipfel ethischen Verhaltens verwirklicht hat. Er selbst verkündete, dass eines der wichtigsten Anliegen seines Prophetentums darin bestand, das edelste Beispiel höchster Moralität zu verkörpern:

Wahrlich, ich wurde gesandt, um den höchsten Charakter zu vervollkommnen![10]

Und der Qur’ân legt von dieser Tatsache Zeugnis ab und preist ihn in dem folgenden Vers:

Und wahrlich bist du von gewaltig erhabenem Charakter.“ (68:4)

Die Gefährten des Propheten – Allah segne ihn und sie und schenke ihm und ihnen Frieden – waren lebendige Zeugen seiner Schamhaftigkeit. Er war schamhafter als ein verschleiertes junges Mädchen. Um die Bedeutung der Schamhaftigkeit zu verdeutlichen sagte er:

Die (beiden Eigenschaften) Schamhaftigkeit und Glaube gehen Hand in Hand. Wenn eine von beiden geht, folgt die andere nach.[11]

Die folgenden Worte Jalâluddîn Rûmîs erhellen die große Bedeutung von Hayâ (Schamhaftigkeit) im Verhältnis zum Glauben:

Ich fragte meinen Intellekt: ‚Was ist Glaube?’

Mein Intellekt antwortete meinem Herzen: ‚Glaube ist nichts anderes als rechtes Verhalten (Adab), deshalb sind die, die keinen Adab besitzen, fern von der Gnade Allahs.

9. Eine Religion der Höflichkeit, der Freundlichkeit und guten Benehmens:

Gemäß den Worten des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – wird es für die Menschen am Tage des Gerichts ernsthafte böse Folgen haben, wenn sie der Höflichkeit und Freundlichkeit nicht den gebührenden Wert beimessen. Der Prophet – Segen und Friede Allahs seien auf ihm -, der selbst das beste Beispiel für alle denkbaren Aspekte menschlichen Daseins lieferte, war auch in dieser Hinsicht ein vollkommenes Vorbild. Wenn er bei einem seiner Gefährten – Allah möge mit ihnen allen zufrieden sein – irgendeinen Fehler entdeckte, korrigierte er ihn, ohne ihn dabei zu beleidigen. Anstatt zum Beispiel den Betreffenden direkt anzusprechen, machte er eine allgemeine Aussage, wie: „Mir ist aufgefallen, dass manche Dieses oder Jenes tun“, wodurch er den Fehler des Einzelnen bedeckte, statt ihn bloßzustellen.

10. Eine Religion des Rechts und der Gerechtigkeit:

Eines der grundlegenden Konzepte, die der Islam bei jeder Gelegenheit betont, ist das Konzept von Recht und Gerechtigkeit. Im Islam gilt es, nach der Götzenanbetung, als die unverzeihlichste Sünde, die Rechte anderer zu verletzen. Der Prophet – Allahs segne ihn und schenke ihm Frieden – betonte noch während der Zeit seiner schwersten Krankheit, die schließlich zu seinem Tode führte, wie wichtig es ist, die Rechte anderer zu achten, indem er persönlich zur Moschee ging und öffentlich darum bat, alle etwa noch ihm gegenüber bestehenden Rechte geltend zu machen. Er sagte:

O meine Gefährten! Falls ich irgendetwas versehentlich in meinen Besitz genommen habe, was einem von euch gehört, so ist hier mein Besitz und er soll es nehmen. Falls ich irgendeinen von euch versehentlich auf den Rücken geschlagen habe, so ist hier mein Rücken. Lasst ihn mich schlagen und so seine Vergeltung üben.[12]

Das islamische Konzept von Gerechtigkeit, das auf solch einem starken Fundament ruht, stellt den Höhepunkt der Perfektion dar und erfüllt alle Gelehrten, die es studieren, mit bewunderndem Staunen. Nachdem er alle Rechtssysteme untersucht hatte, stellte der französische Philosoph Lafayet, der später eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des ideologischen Unterbaus der französischen Revolution spielte, voller Bewunderung fest:

O Muhammad! Keiner erreicht Deine Stufe in der Verwirklichung der Gerechtigkeit!

Die Geschichte des Islam ist voller Anekdoten, die die Bedeutung der Gerechtigkeit innerhalb islamischer Gesellschaften belegen.

Einmal, so wird berichtet, brachte ein Mann ein Pferd mit vom Markt. Obwohl das Pferd einen jungen und kräftigen Eindruck machte, starb es nach drei Tagen. Der Käufer hatte den Verdacht, der Verkäufer könnte das Pferd vergiftet haben, um sich für einen früheren Streit zu rächen. Drei Tage lang versuchte er, den Richter aufzusuchen, doch traf er diesen nie an. So ließ er einen Tierarzt kommen, der seinen Verdacht bestätigte. Als der Richter dann von seiner Reise zurückgekehrt war, suchte ihn der Käufer des Pferdes auf.

„Warum bist du nicht direkt zu mir gekommen, damit ich selbst das Tier hätte anschauen können?“ fragte ihn der Richter.

„Herr Richter, ich bin drei Tage lang täglich hergelaufen, doch ihr wart nicht da!“ entgegnete der Kläger.

„Das stimmt“, sagte der Richter, „meine Mutter ist verstorben und deshalb bin ich in meine Heimatstadt gereist, um an ihrem Begräbnis teilzunehmen.“

Nachdem der Richter eine Weile nachgedacht hatte, wandte er sich schließlich an seinen Schreiber und verkündete sein Urteil, in dem die Angelegenheit folgendermaßen entschieden wurde:

„Die Abwesenheit des Richters vom Gericht führte zu einem Schaden für den Kläger. Demzufolge trägt der Richter die dem Kläger durch diesen Schaden entstandenen Kosten.“

Der Islam ist, kurzgesagt, eine Religion der Gerechtigkeit, sowohl im materiellen wie auch im spirituellen Bereich. Deshalb nannten unsere Vorfahren Menschen, die das Recht respektierten und Gerechtigkeit übten, ohne formell dem Islam anzugehören, ‚Muslime ohne Religion’. Im Gegensatz dazu wurden solche Muslime, die sich nicht an Recht und Gerechtigkeit hielten als ‚ungläubige Muslime’ bezeichnet. Wenn der Islam aufrichtig praktiziert wird, ist er fähig, die Seele von jeglicher Art von Unvollkommenheit zu reinigen. Nur der Islam ist in der Lage, Menschen, die Opfer ihrer niederen Wünsche und Begierden geworden sind, aus den tiefsten Tiefen zu Stufen erhabenster Höhen zu führen.

Der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte:

Wenn einer der Diener Allahs den Islam annimmt und praktiziert, werden all seine früheren guten Taten angenommen und all seine früheren Sünden werden ihm vergeben. Von diesem Moment an werden all seine guten Taten zehn- bis siebenhundertfach belohnt, seine Sünden jedoch werden (im Buch seiner Taten) nur einmal gezählt, es sei denn, Allah vergibt sie ihm ganz.

Von den Anfangstagen der Religion an hat es immer solche gegeben, die sich weigerten, ihre Rechtleitung anzuerkennen und stattdessen vorzogen, als Sklaven des Schaytân (Satan) ihren niederen Gelüsten zu folgen. Dafür gibt es in der Geschichte des Islam zahllose Beispiele. Obwohl die Bewohner Mekkas die Vertrauenswürdigkeit des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – anerkannten, weigerten sie sich, seine neues Leben spendende Botschaft anzunehmen. Sie begriffen die Wirklichkeit des Islam durch ihr von niederen Beweggründen bestimmtes Bewusstsein und stürzten demzufolge hinab in die Abgründe des Unglaubens. Auch die Juden und Christen hatten seit Jahrhunderten das Kommen eines neuen Propheten vorhergesagt, doch als der Prophet Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – schließlich erschien, lehnten sie ihn aus Stolz und Bigotterie ab, weil er aus einem anderen Volke stammte. Speziell die Juden, die schon eine lange Geschichte der Ablehnung und Ermordung von Propheten hinter sich hatten, übertrafen alle anderen in ihrer Ablehnung des Islam. Der folgende Vorfall belegt diese Tatsache mit großer Klarheit:

Eines Tages trug der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – einigen Juden folgenden Vers aus dem heiligen Qur’ân vor:

Und wenn sie mit dir streiten, so sprich: ‚Ich habe mich ganz Allah hingegeben und (auch) diejenigen die mir folgen’ und sprich zu denjenigen, denen die Schrift gegeben wurde und zu den des Lesens Unkundigen: ‚Gebt (auch) ihr euch hin?’ Und wenn sie sich unterwerfen, so sind sie wahrlich rechtgeleitet. Und wenn sie sich abwenden, so ist deine Pflicht nur, die Botschaft zu verkünden und Allah ist der (stets) auf die Diener Schauende.“ (3:20)

Nachdem er ihnen diesen Vers vorgetragen hatte, fragte er sie:

„Nehmt ihr den Islam an?“

Die Juden antworteten: „Ja, wir nehmen ihn an!“

Daraufhin stellte der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – ihnen folgende Frage:

„Akzeptiert ihr auch, dass ´Îsâ (Jesus) – Friede sei auf ihm – Allahs Wort, sein Diener und Gesandter ist?“

Da antworteten sie: „Nein, möge Allah uns vor solch einem Irrtum bewahren!“

So wurden diese Juden, weil sie ´Îsâ – Friede sei auf ihm – als Propheten Allahs ablehnten, zu bedauernswerten Ungläubigen.

Er fragte die Christen:

„Bezeugt ihr, dass ´Îsâ (Jesus) – Friede sei auf ihm – Allahs Wort und Sein Gesandter ist?“

Die Christen antworteten:

„Wie kann es sein, dass ´Îsâ – Friede sei auf ihm – ein Geschöpf Allahs sein soll, wo er doch Allahs Sohn ist?“

Bei einer anderen Gelegenheit ging der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – zu einer Schule jüdischer Gelehrter und lud sie ein, den Islam anzunehmen.

Nu´aym ibn Hârith und Zaid fragten ihn:

„Was ist deine Religion?“

Der Prophet – auf ihm sei der Segen und Friede Allahs – antwortete:

„Ich gehöre der Religion Ibrahims (Abrahams) an.“

Als sie dies hörten, behaupteten sie:

„Ibrahim war ein Jude!“

Der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte:

„Wenn das so ist, dann lasst die Thora zwischen uns entscheiden!“

Die Juden zögerten zuerst und lehnten dann sein Angebot ab. Unter ihnen war ein großer Gelehrter namens ´Abdullah ibn Salâm, den sie immer wegen seines großen Wissens priesen. Als er jedoch den Islam annahm, hörten sie auf, ihn zu loben und fingen an, ihn zu verfluchen. Sie verfälschten die Kapitel in ihren Schriften, die das Kommen des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – vorhersagten. Im Qur’ân wird diese Angelegenheit so beschrieben:

Und wehe denen, die die Schrift mit ihren Händen schreiben und dann sagen: ‚Dies ist von Allah’, um sich dafür einen kleinen Gewinn zu erkaufen. Und wehe ihnen wegen dem, was ihre Hände schreiben und wehe ihnen wegen des Gewinns, den sie erwerben.“ (2:79)

Unter den Juden gibt es diejenigen, die die Worte von ihrem Platz entfernen und verfälschen.“ (4:46)

Und sie verfälschen das Wort, indem sie es von seinem Platz entfernen.“ (5:13)

All diese Aktivitäten sind Anzeichen dafür, dass Juden und Christen ihre Religion entsprechend ihren eigenen Wünschen verfälscht und damit die Authentizität ihrer Lehre zerstört haben. Die älteste Abschrift der Thora, die heutzutage zugänglich ist, entstammt dem 9. Jahrhundert vor Christus, so dass eine beträchtliche Spanne zwischen der Zeit des Mûsâ (Moses) und der Niederschrift dieser Thora besteht. Diejenigen, die heute im Islam nach Reformen rufen, haben unglücklicherweise das gleiche Ziel, nämlich: die Religion soweit zu verfälschen, bis sie ihren Vorstellungen und Wünschen entspricht. Wie zu früheren Zeiten verstecken auch sie ihre verborgenen Absichten hinter schönen Worten.

Der menschliche Verstand kann weder die Weisheit noch die verborgenen Ziele der Schöpfung des Universums vollständig begreifen, weil dieses aus der Allmacht und Allwissenheit Allahs heraus erschaffen wurde. Allah kennt die Natur des Menschen am besten, denn Er ist es, der ihn erschuf. So entsprechen Seine das Leben des Menschen betreffenden Gebote und Verbote dessen Veranlagungen. Ein Bewusstsein, welches nicht im Geiste der göttlichen Offenbarung geprägt wurde, ist unfähig, diese Realität zu erkennen. Ein gesunder Verstand wird jedoch letztendlich niemals die Tatsache bestreiten können, dass der Schöpfer Seine Schöpfung am besten kennt und deshalb am ehesten in der Lage ist, sie zu der für sie geeigneten Lebensweise zu führen. So können wir sagen, dass der Islam die einzige Religion ist, die in idealer Weise der Natur des Menschen gerecht wird.

Allah der Allmächtige hat in Seiner grenzenlosen Gnade der Menschheit den Islam als universelle Religion gesandt. Mit dem Islam hat Er ein ideales und leicht zu begreifendes System der Lebensführung geschaffen. Der Islam ist als Religion in der Lage, jede das Leben betreffende Frage, die dem Menschen in den Sinn kommen könnte, zu beantworten. Zum Beispiel gehen Träume über die rein physische Realität unseres Daseins hinaus, da sie sich nur in unserem Bewusstsein abspielen. Trotzdem misst der Islam Träumen einen Wert bei und erklärt ihre Bedeutung. Jedes Wertesystem, das auf Regeln beruht, die irgendeinen fundamentalen Aspekt der menschlichen Natur ignorieren, wird vom Wesen des Menschen abgelehnt und letztendlich missachtet werden. Beispielweise ignorieren die Katholiken das Bedürfnis eines jeden Menschen, eine Familie zu haben und verbieten ihren Priestern, Nonnen und Mönchen die Heirat. Ein solches Gesetz steht im Gegensatz zur menschlichen Natur und führt den Menschen am Ende unweigerlich zum Ungehorsam.

Das Wesen des Menschen beinhaltet sowohl veränderliche als auch unveränderliche Charakteristiken. Religiöse Systeme, die die unveränderlichen Eigenschaften der menschlichen Natur ignorieren, können ihren Geltungsanspruch nicht auf unbegrenzte Zeit aufrecht erhalten. Die menschlichen Wesenszüge sprengen die ihnen angelegten Fesseln. Zum Beispiel litt das westliche Europa unter der Herrschaft eines verwässerten Christentums, bis seine Bewohner es schließlich aus ihrem Leben verbannten und sich dafür entschieden, ihre Religion hinter den Kirchenmauern zu verstecken.

Traurigerweise haben viele Christen wegen der unnatürlichen Tendenzen des christlichen Glaubens der Religion insgesamt vollständig den Rücken gekehrt. Darüber hinaus haben sogar einige ‚Christen’, weil der grundlegende Glaube an eine Art höheren Wesens eben der menschlichen Natur entspricht, angefangen, Satan anzubeten.

Der Islam hingegen trägt der auf das Göttliche ausgerichteten Natur des Menschen Rechnung und wird deshalb niemals unzeitgemäß sein. So sind beispielsweise Frauen in der Regel gefühlsbetonter als Männer und deshalb in bestimmten juristischen Fällen weniger als Zeugen geeignet, da sonst die Gerechtigkeit beeinträchtigt werden könnte.

Die Gebote Allahs verhindern, dass negative Charaktereigenschaften des Menschen sich entwickeln und ihn kontrollieren. Darüber hinaus unterstützen sie uns dabei, positive Charakterzüge zu entwickeln. Dennoch gewährt uns der Islam die Freiheit, unser Leben, entsprechend den sich in verschiedenen Bereichen ständig verändernden Lebensbedingungen, zu organisieren. Diese Freiheit wird dem Menschen zu seinem eigenen Nutzen gewährt. Für die ständigen Veränderungen unterliegenden Aspekte des Lebens gibt es keine feststehenden Regeln. Der Islam ist also eine realistische Religion, die der Wirklichkeit der menschlichen Natur entspricht. Es lässt sich auch feststellen, dass das Wesen des Menschen, wenn es sich frei von umgebendem gesellschaftlichem Druck entfaltet, eher zum Positiven als zum Negativen neigt. Dem verlieh auch der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – Ausdruck, als er sagte, dass jedes Neugeborene mit einer natürlichen Disposition zum Islam geboren wird. So berichtete Abû Huraira – möge Allah mit ihm zufrieden sein:

„Der Prophet sagte: ‚Jedes Kind wird im Zustand natürlicher Ergebenheit (Fitra) geboren, - dann machen seine Eltern es zum Juden oder Christen oder Zoroastrier (Majûsî) - so wie ein Tier sein Junges zur Welt bringt. Findet ihr, dass es missgestaltet ist?’“[13]

Als Folge von Allahs allumfassender Barmherzigkeit, die stärker ist als Sein Zorn, herrscht Friede und Einklang im Universum. In einem Wald können wir beobachten, wie große und wilde Tiere Seite an Seite mit kleinen und schwachen leben. Dasselbe gilt auch für die Krone der Schöpfung: den Menschen. Obwohl er sowohl positive wie auch negative Eigenschaften besitzt, besteht, solange wie die positiven die negativen überwiegen, ein Zustand, in dem die negativen Charakteristika sich nicht gänzlich frei nach außen hin manifestieren können. Allerdings wird diese positive Natur ständig auf die in der obigen prophetischen Überlieferung erwähnte Weise durch das Zusammenwirken gesellschaftlicher Einflüsse korrumpiert. Der Islam ist durch die Lebensweise, die er mit sich bringt, bestrebt, diese ursprünglich menschliche Natur zu bewahren, um die von Allah dem Allmächtigen dem Menschen geschenkte spirituelle Reinheit durchscheinen zu lassen. Der Islam verlangt nicht, sämtliche negativen Merkmale der menschlichen Natur auszumerzen. Zum Beispiel lenkt und beschränkt der Islam unsere sexuellen Erfahrungen im Rahmen von Ehe und Familie und sichert so den Fortbestand der Menschheit, anstatt, wie von einigen modernen psychologischen Strömungen empfohlen, dem sexuellen Verlangen völlig freie Bahn zu gewähren. Der Islam fördert die Befriedigung dieses natürlichen Bedürfnisses im Rahmen der Ehe und ist so fähig, den Sexualtrieb in seinem göttlich bestimmten Sinn zu nutzen, indem er rechtschaffene Nachkommenschaft hervorbringt.

In Bezug auf den Besitz materieller Güter lehrt der Islam, dass der wahre Besitzer aller Dinge Allah ist. Die Gläubigen werden dazu gebracht, ihren Wohlstand lieber zum Nutzen Anderer einzusetzen als ihr Leben ganz dem Ziel, Besitz ausschließlich zum persönlichen Vorteil anzuhäufen, unterzuordnen. Der Islam fördert eher das Wachstum gegenseitiger Anerkennung und Kooperation mit Anderen als Eifersucht und Konkurrenz.

In ebensolcher Weise koordiniert der Islam die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen. Er verankert die menschlichen Fragestellungen auf dem Fundament der göttlichen Offenbarung, ohne deren geistige Grundlagen der ungezügelte Verstand in der Lage wäre, den Menschen zu lächerlichen Ergebnissen zu führen. Dies ist die Ursache dafür, dass viele Philosophen untereinander die Gültigkeit des Weltbildes des jeweils anderen geleugnet haben. Darüber hinaus galt es zum Beispiel im antiken Athen als akzeptable, ja sogar bewundernswerte Handlung, zu stehlen, ohne sich dabei erwischen zu lassen. Die Diebe wurden geduldet und nicht belangt, weil ihr Diebstahl als Ausdruck hoher Intelligenz angesehen wurde. Obwohl Diebstahl an sich offensichtlich ein Verbrechen ist, wurde es rein verstandesmäßig, ohne die Hilfe durch göttliche Offenbarung, nicht als solches wahrgenommen. Wenn der menschliche Verstand nicht fähig ist, das Offensichtliche wahrzunehmen, wie kann er dann darauf hoffen, in Hinblick auf weitaus komplexere Angelegenheiten zu erkennen, was wahr ist. Wenn der Verstand als einzige Richtschnur akzeptiert wird, werden zwangsläufig Situationen entstehen, in denen von zwei Alternativen alle beide richtig erscheinen, so dass die Gerechtigkeit letztendlich auf der Strecke bleibt. Die folgende Geschichte berichtet in treffender Weise von einem solchen Fall:

Im alten Athen hatte ein Student der Rechtswissenschaft mit seinem Professor einen Vertrag geschlossen, dass dieser ihn in der Jurisprudenz ausbilden solle. Die Vereinbarung besagte, dass der Student die eine Hälfte des festgelegten Entgeltes am Ende seiner Ausbildung zu zahlen habe, die zweite Hälfte dann, wenn er seinen ersten Prozess gewonnen habe. Als seine Ausbildung abgeschlossen war, teilte der Student seinem Lehrer mit, dass die erste Rate, die er ihm gezahlt hatte, seiner Ansicht nach ausreichend sei und er nicht beabsichtige, die zweite Rate zu zahlen, selbst wenn er den ersten Gerichtsstreit gewönne.

Daraufhin verklagte der Rechtsprofessor seinen Studenten wegen Vertragsbruches vor Gericht. Als der Streit dem Gericht vorgetragen wurde, erklärte der Professor dem Richter: „Egal, wie der Prozess ausgeht, werde ich mein Geld in jedem Fall bekommen.“ „Wieso das?“ fragte ihn der Richter, woraufhin der Professor erläuterte: „Wenn ich den Prozess gewinne, wird mein Student durch den Gerichtsbeschluss verpflichtet, das Ausbildungshonorar zu zahlen. Nicht zu bezahlen, hieße, sich dem Urteil des Gerichtes zu widersetzen, was wohl unmöglich ist. Verliere ich dagegen den Fall, bedeutet das, dass mein Student seinen ersten Prozess gewonnen hat und mir deshalb aufgrund unserer Vereinbarung die zweite Rate des Honorars zahlen muss.“ Der Student, offensichtlich ein gelehriger Schüler seines Meisters, entgegnete daraufhin: „Ganz im Gegenteil, ich werde die zweite Rate des Honorars keinesfalls zahlen, ganz gleich, ob ich den Fall gewinne oder verliere.“ Der Richter bat ihn, ebenfalls seine Sicht der Dinge darzulegen, woraufhin der Student erklärte: „Falls ich den Prozess gewinne, darf ich auf keinen Fall bezahlen, da ich ansonsten dem Urteil des Gerichts zuwiderhandeln würde, was völlig inakzeptabel wäre. Verliere ich dagegen den Fall, so habe ich, aufgrund der Vereinbarung, die eine Zahlung nur in dem Falle vorsieht, dass ich meinen ersten Prozess gewinne, ebenfalls nichts zu zahlen.“

Wie dieses Beispiel belegt, ist der menschliche Verstand in der Lage, aufgrund gleichermaßen annehmbarer Voraussetzungen zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen zu gelangen. Dies ist eine unausweichliche Folge der Ablehnung göttlich offenbarter Regeln. Der Islam verleiht dem Verhältnis von Widersachern durch Betonung der hohen Bedeutung des Respekts gegenüber dem Recht des Anderen eine andere Dimension. Der Islam lehrt die Menschen, mehr auf die Bedürfnisse Anderer als auf die eigenen zu achten. Dies wird besonders deutlich anhand des Prophetenwortes:

Derjenige, der ruhig schläft während seine Nachbarn hungern, gehört nicht zu uns.

In dieser Weise transformiert der Islam seine Anhänger zu in Liebe verbundenen Brüdern und Schwestern, die umeinander besorgt und stets bereit sind, miteinander zu teilen. In vorislamischer Zeit waren die Araber berühmt wegen ihrer Feindseligkeit, ihrer Gnadenlosigkeit und ihrer Raubzüge und Plünderungen. Ihre Herzlosigkeit war so groß, dass sie ihre neugeborenen Töchter lebendig begruben, weil die Geburt einer Tochter ihnen als Schande galt. Von der Blutrache bestimmte endlose Stammesfehden waren bei ihnen an der Tagesordnung, die Starken unterdrückten die Schwachen und das geltende Gesetz war das Recht des Stärkeren. Der berühmte türkische Dichter Mehmet Akif beschreibt diese schrecklichen Gesellschaftsbedingungen treffend mit den Worten:

Besäße der Mensch keine Zähne, seine Brüder fräßen ihn auf.

Mit der Ankunft des Islam jedoch wurden sie zu einem der tugendhaftesten und edelsten Völker der Welt. Diejenigen, die zuvor begierig waren, das Blut des anderen zu trinken, erlangten durch den Islam eine Stufe, die sie dazu inspirierte, selbst im Angesicht des Todes das Wohl des Anderen über ihr eigenes zu stellen. Der folgende, von dem ehrwürdigen Prophetengefährten Hudhaifa – möge Allah mit ihm zufrieden sein – überlieferte, Zwischenfall zeigt, welch hohes Maß an Mitgefühl und Großzügigkeit die Mitglieder der frühen Gemeinschaft verkörperten.

Hudhaifa suchte auf dem Schachtfeld von Yarmûk nach Überlebenden des Kampfes. Später erzählte er:

„Als die Kämpfe etwas abgeflaut waren, lagen eine Reihe von Muslimen sterbend auf dem glühendheißen Sand. Ich sammelte meine Kräfte und fing an, nach meinem Neffen Harith zu suchen. Ich lief zwischen den Verwundeten, von denen viele in ihren letzten Atemzügen lagen, umher, bis ich ihn schließlich fand. Er lag in einem See von Blut und konnte schon nicht mehr sprechen. Seine Kräfte reichten gerade noch, um seine Augen zu bewegen. Ich zeigte ihm den ledernen Wasserbehälter, den ich bei mir trug und fragte ihn: ‚Willst du etwas Wasser trinken?’

Seine Lippen waren von der Hitze völlig ausgetrocknet und er wollte sicher etwas trinken. Es war, als wolle er mir mit den Bewegungen seiner Augen sein Leiden mitteilen. Ich öffnete den Wassersack und wollte ihm gerade etwas Wasser geben, als plötzlich aus der Ferne Ikrimas Stimme zu hören war: ‚Wasser! ... Wasser! ... Bitte, einen Tropfen Wasser!’

Als mein Neffe diese Rufe hörte, signalisierte er mir mit den Augen, Ikrima das Wasser zu bringen. Ich rannte zu ihm, vorbei an den Märtyrern, die im glühenden Sand lagen. Schließlich erreichte ich Ikrima und wollte ihm gerade die Wasserflasche reichen, als wir auf einmal ´Iyasch stöhnen hörten: ‚Bitte gebt mir einen Tropfen Wasser! Um Allahs willen, einen Tropfen Wasser!’

Als Ikrima seinen Ruf nach Wasser hörte, deutete er mit einer Handbewegung an, ich solle ´Iyasch das Wasser bringen. Genau wie Harith verzichtete auch er darauf, zu trinken.

Als ich ´Iyasch zwischen den Toten und Verletzen fand, hörte ich seine letzten Worte:

‚O Allah! Wir haben um des Glaubens willen unser Leben nicht geschont. Verwehre uns nicht die Stufe des Märtyrertums und vergib uns!’

Er war im Begriff zu sterben. Er sah noch die Wasserflasche, die ich gebracht hatte, aber er hatte keine Zeit mehr, zu trinken. Er konnte gerade noch die Worte des Glaubensbekenntnisses aussprechen, dann verschied er.

Ich rannte zurück zu Ikrima und als ich versuchte, ihm zu trinken zu geben, stellte ich fest, dass auch er zum Märtyrer geworden war. Ich lief zu meinem Neffen Harith, doch musste ich erkennen, dass auch seine Seele zu ihrem Schöpfer zurückgekehrt war. So wurde ich mit Schmerzen Zeuge, wie eine Flasche Wasser auf dem Wege zwischen drei Märtyrern voll blieb.“[14]

Dies ist ein Beispiel des hohen Standards islamischer Moralität, wie ihn die frühen Anhänger dieses Glaubens in ihrer Lebensführung verkörperten. Dies waren dieselben Leute, die in der Zeit der Unwissenheit dazu bereit gewesen waren, einander aus nichtigen Gründen umzubringen. Durch den Islam hatten göttliche Gnade und Barmherzigkeit in solchem Maße in ihren Herzen Einzug gehalten, dass ihr Zeitalter von späteren Muslimen als ‚das glückliche Zeitalter’ (al-´asr as-sa´âda) bezeichnet wird.

Allah der Allmächtige erinnert uns an dieses große Geschenk in dem Vers:

Und gedenket der Gnade Allahs gegen Euch: als ihr Feinde wart, da einte Er eure Herzen, so dass ihr durch Seine Gnade zu Brüdern wurdet; und ihr wart am Abgrund einer Feuergrube und Er hat euch davor errettet. So macht Allah euch Seine Zeichen klar, auf dass ihr rechtgeleitet werdet.“ (3:103)

Dieser Vers richtet sich an die gesamte Menschheit in Person der Gefährten des Propheten – Allah segne ihn und sie und schenke ihm und ihnen Frieden!

Das gleiche wie für die Araber gilt auch für das Volk der Türken. Vor dem Islam wurde ihr Name in den Annalen der Geschichte in keinem positiven Zusammenhang erwähnt. So hinterließ Atilla auf seinem 7000 km langen Feldzug nichts als vergossenes Blut und Tränen. Nachdem ihnen die Ehre des Islam zuteil geworden war, wurde dieses Volk zu einer der edelsten Nationen, erfüllt von Liebe und Barmherzigkeit für die gesamte Menschheit, die ihren Gegnern mit folgenden Worten begegnete:

Wie grausam bist du, o Barmherzigkeit, dass du mich meine Feinde lieben lässt!

 

[1] Bukhârî, Bd. IV, 651

[2] Glaube an Allah, Seine Engel, die (heiligen) Schriften, Seine Gesandten, den Jüngsten Tag, an die göttliche Bestimmung im Guten wie im Schlechten und die Wiederauferstehung nach dem Tod

[3] Abû Dawûd, Salât 36 und Tirmidhî, Salât 42

[4] Bukhârî, Bd. IX; Buch 93; Nr. 501

[5] Iblîs, Beiname des Teufels im Qur’ân

[6] Rûmîs Mathnawî, III, 1402

[7] Rûmîs Mathnawî, III, 1406

[8] Abû Dawûd, ´Ilm, 1

[9] Kanz al-Irfân, 62

[10] Imâm Mâlik, al-Muwatta, Kitâb al-Khuluq, 7

[11] Suyûtî, Jâmi´ as-Saghîr, I, 53

[12] Asim Köksal, Islam Tarihi, Bd. II, S. 38

[13] Bukhârî, Bd. 2, Buch 23, Nr. 467

[14] al-Hâkim, al-Mustadrak, III, 270