Glaube an das Jenseits

1. Glaube an das Jenseits

Allah der Allmächtige hat für das menschliche Leben fünf Abschnitte bestimmt. Der erste Abschnitt ist der im Reich der Seelen, der zweite die Zeit im Mutterleib, der dritte die Zeitspanne in dieser vergänglichen Welt, der vierte die Zeit in der Zwischenwelt im Grab und der fünfte das ewige Leben im Jenseits, im Himmel oder in der Hölle. Das Leben in dieser vergänglichen Welt stellt eine Prüfung für die Menschen dar: Ihre Rettung und ewige Glückseligkeit hängen von ihren Handlungen und ihrem Verhalten in diesem vergänglichen Leben ab. Der Glaube an das Jenseits stellt einen der sechs Glaubensartikel dar und versetzt den Menschen in die Lage, sich bewusst zu werden, dass er für seine Taten in dieser Welt Verantwortung trägt und, entsprechend seinen Handlungen, göttlichen Lohn oder Strafe ernten wird. Der Glaube an das Jenseits ist von größter Bedeutung und wird deshalb im heiligen Qur’ân häufig im gleichen Atemzug mit dem Glauben an Allah erwähnt. So sagt Allah der Allmächtige:

... diejenigen, die an Allah und den Jüngsten Tag glauben und gute Werke tun - sie haben ihren Lohn bei ihrem Herrn und keine Furcht und keine Trauer wird über sie kommen.“ (2:62)

Und Allah lobt die Gläubigen mit den Worten:

Diejenigen, die an Allah und an den Jüngsten Tag glauben, bitten dich nicht um Erlaubnis darum, sich nicht mit ihrem Besitz und ihrer Person einsetzen zu müssen, und Allah weiß wohl, wer die Gottesfürchtigen sind.“ (9:46)

Das Leben im Jenseits, das nach dem Tod beginnt, ist ein neues, reales und ewiges Leben. Die edlen Verse des Qur’ân beschreiben dies so:

„Das irdische Leben ist nichts als Zeitvertreib und Spiel; doch wahrlich, die Heimstatt des Jenseits, das ist das eigentliche Leben, wenn sie es nur wüssten!“ (29:64)

Diejenigen, die sich dessen bewusst sind, werden jeden Moment nutzen, jede Gelegenheit ergreifen und Allah niemals auch nur für einen Augenblick vergessen. Ihr Leben verwandelt sich in eine ununterbrochene Abfolge von Gottesdienst und guten Taten. Sie sind in einem Zustand zwischen Furcht und Hoffnung bezüglich ihres Schicksals und des letztendlichen Ausgangs ihres Daseins. Ihre Herzen schluchzen und ihre Augen sind erfüllt von Tränen, aus Gottesfurcht und Sorge um die Abrechnung am Jüngsten Tag.

In einer Geschichte wird von einem frommen Mann berichtet, der zum Marktplatz kam, um einige notwendige Dinge einzukaufen. Er hatte ausgerechnet, wie viel Geld er für seine Einkäufe brauchen würde, doch als er auf dem Markt stand, stellte er fest, dass sein Geld nicht reichte. Dieser fromme Mann begann zu weinen und hörte nicht mehr auf, zu weinen, bis die Leute um ihn herum anfingen, sich zu wundern. Sie versuchten, ihn zu beruhigen, indem sie sagten, dass es sich doch nicht lohne und auch kein gutes Benehmen sei, zu weinen weil man nicht genug Geld für seine Einkäufe habe. Doch er weinte weiter. Als sich nach einer Weile sein Zustand gebessert hatte, sprach der fromme Mann, mit immer noch tränenerstickter Stimme, zu den Leuten:

„Glaubt nicht, ich hätte Tränen wegen dieser Welt vergossen! Doch als ich feststellen musste, dass meine Rechnung, die ich zuhause gemacht hatte auf dem Markt nicht aufging, kam mir der Gedanke: ‚Wie soll dann erst meine Rechnung in dieser Welt bezüglich des Tages der Abrechnung, der mich im Jenseits erwartet, aufgehen?’“

Zweifelsohne wird jede Träne, die in dieser Welt im Gedenken und Dienste Allahs vergossen wird, im Jenseits mit freudigem Lächeln aufgewogen werden. Deshalb nimmt der große Dichter Yunus Emre mit Freuden einen Platz in der ersten Reihe derer ein, die um des Jenseits willen Tränen vergießen, wobei er alle einlädt, diesen Platz mit ihm zu teilen:

„Wenn wir bedenken den Jüngsten Tag,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag,

es ist ein Tag der Selbstbezichtigung,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag!

Die Erde bricht auf an diesem Tag,

alle Toten werden auferweckt

alle Sünden werden aufgedeckt,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag!

Der Himmel wird zerrissen an diesem Tag,

der Mensch wird so viel leiden müssen,

keiner bleibt ohne Furcht an diesem Tag,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag!

Oh welcher Schrecken an diesem Tag,

der Unschuldige in Greise verwandelt,

und welche Schande für den Frevler,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag!

Der Zeitpunkt zu weinen ist an diesem Tag,

Männer und Frauen stehen unbekleidet da,

die Herzen werden in Flammen steh’n,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag

O Yunus, beschreite den rechten Weg,

was kann ein hilfloser Bruder tun?

Die Rettung kommt nur von Allah,

Lasst uns Tränen vergießen für diesen Tag!“

In einem anderen Gedicht seufzt Yunus Emre:

„Möge die Rechnung Rechtmäßiges zutage bringen,

auf Unrechtmäßiges folgt die Strafe,

die Frevler bekommen ihren Lohn.

Was soll ich sagen? Was soll ich tun?“

Wenn das Ende für diese Welt gekommen ist, wird der Erzengel Israfîl die Trompete (Sûr) blasen und mit dem daraus erschallenden urzeitlichen Klang werden alle Menschen auferstehen, um sich am Platz der Versammlung (Mahschar) einzufinden.

Die Auferweckung der Menschen am Jüngsten Tage ist für Allah den Allmächtigen genauso einfach wie die ursprüngliche Erschaffung aller Dinge aus dem Nichts. Im Qur’ân wird dies folgendermaßen beschrieben:

Und der Mensch sagt: ‚Wie? Soll ich dann, wenn ich tot bin, wirklich wieder zum Leben auferweckt werden?’ Doch erinnert der Mensch sich nicht daran, dass Wir ihn vorher aus dem Nichts erschaffen haben?“ (19:66-67)

„Meint der Mensch etwa, dass Wir seine Gebeine nicht zusammen bringen werden? Doch, Wir sind imstande, sogar seine Fingerspitzen perfekt zu gestalten.“ (75:3-4)

„Weiß der Mensch denn nicht, dass Wir ihn aus einem Samentropfen erschaffen haben? Und siehe, er ist ein offenkundiger Widersacher! Und er stellt Vergleiche über Uns an und vergisst seine eigene Erschaffung.

Er sagt: ‚Wer kann die Gebeine beleben, wenn sie morsch geworden sind?’

Sprich: ‚Der, der sie ursprünglich erschaffen, Er wird sie wieder beleben; und Er kennt jegliche Schöpfung. Er ist es, Der für euch Feuer aus den grünen Bäumen hervorbringt, indem ihr dann daraus Brennholz macht. Ist Er, der die Himmel und die Erde erschuf, nicht imstande, ihresgleichen zu erschaffen?’

Doch, und Er ist der Erschaffer, der Allwissende. Wahrlich, wenn er eine Sache bestimmt, so sagte er zu ihr ‚Sei!’ und sie ist. So sei Der gepriesen, in dessen Hand die absolute Herrschaft über alle Dinge ruht und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht!“ (36:77-83)

„Er bringt das Lebendige aus dem Toten und das Tote aus dem Lebendigen hervor und Er belebt die Erde nach ihrem Tod, und genauso sollt auch ihr wieder hervorgebracht werden.“ (30:19)

„Und sie sagen: ‚Wenn wir zu Gebeinen und Staub geworden sind, sollen wir dann wirklich zu einer neuen Schöpfung auferweckt werden?’

Sprich: ‚Ganz gleich, ob ihr Steine oder Eisen seid oder sonst etwas Erschaffenes, das eurer Ansicht nach am gewaltigsten ist!’

Dann werden sie sagen: ‚Wer soll uns ins Leben zurückrufen?’

Sprich: ‚Derjenige, der euch ursprünglich erschaffen hat.’

Dann werden sie ihre Köpfe vor dir schütteln und sagen: ‚Wann soll das sein?’

Sprich: ‚Vielleicht geschieht es schon sehr bald.’“ (17:49-51)

„O ihr Menschen, wenn ihr im Zweifel über die Auferstehung seid, so (denkt daran,) dass Wir euch aus Erde erschaffen haben, dann aus einem Samentropfen, dann aus einem Blutklumpen, dann aus einem Klumpen Fleisch, teils geformt und teils ungeformt, auf dass Wir es euch deutlich machen. Und was Wir wollen, lassen Wir bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt in den Mutterschößen ruhen, dann bringen Wir euch als Kinder hervor; dann (lassen Wir euch heranwachsen,) auf dass ihr eure volle Kraft erreicht. Und manchen von euch lassen wir sterben, und mancher von euch wird bis ins gebrechliche Greisenalter gebracht, so dass er nichts mehr von dem weiß, was er einst wusste. Und du siehst die Erde leblos, doch wenn Wir Wasser auf sie herabsenden, dann regt sie sich und schwillt und lässt alles in wunderbaren Paaren hervorsprießen.“ (22:5)

Diese Verse, die Worte Allahs des Allmächtigen, der Leben nimmt und Tote wieder auferweckt, sind klare Hinweise auf die unanzweifelbare Wirklichkeit der Wiederauferstehung. Angesichts der Unausweichlichkeit dieses Ereignisses empfiehlt es sich, den folgenden Worten die nötige Beachtung zu schenken:

„Ihr werdet so sterben, wie ihr gelebt habt und ihr werdet so auferweckt werden, wie ihr gestorben seid!“

Wie Yunus Emre sagt:

„O Freunde, o Geschwister!

Ich fürchte, dass ich sterben muss.

Doch ich nehme das an, was mir gebührt,

so dass zu sterben mich nicht berührt“

Und Allah der Allmächtige sagt über diesen Tag:

Wer Gutes auch nur vom Gewicht eines Atoms tut, wird es dann sehen! Und wer Schlechtes auch nur vom Gewicht eines Atoms tut, wird es dann sehen!“ (99:7-8)

... an dem Tage, an dem weder Besitz noch Söhne nützen, sondern nur der (gerettet wird), der mit reinem Herzen zu Allah kommt.” (26:88-89)

Von diesen Versen inspiriert schrieb der Dichter Arif Nihat die folgenden Zeilen:

„Man sagte: ‚Es gibt kein Feuerholz in der Hölle,

jeder Reisende bringt sein eig’nes mit’.

Da begriff ich, dass auch der, der ins Paradies gelangt

seine eignen Rosen und Lilien mitbringt!“

Und Yunus Emre rät demjenigen, der dem Jüngsten Tag entgegenschreitet, sich gründlich vorzubereiten:

„Das morgige Werk wird nicht zu Ende gebracht,

wenn das heutige hier nicht vollendet ist!“

Mit anderen Worten ist das Jenseits eine für Rechtschaffene und Übeltäter gleichermaßen unausweichliche Wirklichkeit, denn nichts ist natürlicher, als die Guten zu belohnen und die zu strafen, die es verdient haben. Gäbe es in dieser vergänglichen Welt keine Gefängnisse oder Besserungsanstalten für Übeltäter und Verbrecher, so wäre das Leben unerträglich. Allein dies könnte Grund genug sein, an die Existenz des Jenseits zu glauben.

Es ist einfach, einen derartigen gegenseitigen Bezug in den folgenden Beispielen zu erkennen: Ein Mensch wird selbst dem kleinsten Insekt mit größter Härte begegnen, sollte es wagen ihn zu stechen oder zu beißen. Andererseits neigt der Mensch dazu, selbst die kleinste Geste der Freundlichkeit zu würdigen und sich eventuell über Jahre hinaus daran zu erinnern. Vor diesem Hintergrund zeugt es von absoluter Blindheit, zu erwarten, dass Verstöße der Menschen gegen göttliche Gesetze und Regeln in diesem Leben von Allah dem Allmächtigen ungeahndet bleiben werden. Unrecht von Seiten der Unterdrücker und Klagen der Unterdrückten, Gotteslästerung der Ungläubigen und Gottesfurcht der Gläubigen gehören zu den Realitäten des Lebens in dieser Welt. Ohne Lohn oder Strafe für all diese Verhaltensweisen wäre nicht nur der göttliche Plan, der alle anderen Geschöpfe der Kontrolle und dem Befehl des Menschen unterstellt, sondern auch die Erschaffung des Menschen selbst sinnlos. All dies stünde in völligem Widerspruch zur göttlichen Eigenschaft der Gerechtigkeit Allahs. So, wie Allah weit erhaben über jegliche Fehlerhaftigkeit ist, ist auch eine derartige Unzulänglichkeit für Ihn vollkommen undenkbar. Um die gewaltige Bedeutung des Tages der Abrechnung und Seines göttlichen Lohnes und Seiner Strafe zu verdeutlichen, sagt Allah der Erhabene im heiligen Qur’ân:

Meint der Mensch etwa, dass er sich selbst überlassen bliebe?“ (75:36)

„Glaubt ihr denn, Wir hätten euch sinnlos erschaffen und ihr würdet nicht zu Uns zurückgebracht?” (23:115)

„Und die Himmel und die Erde und was zwischen beiden ist erschufen Wir nicht zum Zeitvertreib!“ (44:38)

„Und die Ungläubigen sagen: ‚Die Stunde wird nicht über uns kommen!’

Sprich: ‚Doch, bei meinem Herrn, der das Verborgene kennt, sie wird gewiss über euch kommen! Nicht einmal das Gewicht eines Atoms in den Himmeln oder auf Erden ist vor Ihm verborgen und es gibt nichts Kleineres oder Größeres als dies, das nicht in einem deutlichen Buch verzeichnet wäre.’“ (34:3)

„Allah, es gibt keine Gottheit außer Ihm. Er wird euch versammeln am Tag der Auferstehung, an dem es keinen Zweifel gibt. Und wer ist mit seinem Wort wahrhaftiger als Allah?“ (4:87)

„O ihr Gläubigen, glaubt an Allah und Seinen Gesandten und an das Buch, das Er auf Seinen Gesandten herabgesandt hat, und an das Buch, das Er zuvor herabgesandt hat. Und wer nicht an Allah und Seine Engel und Seine Bücher und Seine Gesandten und den Jüngsten Tag glaubt, der ist wahrlich weit irregegangen.“ (4:136)

„Er fragt: ‚Wann wird der Tag der Auferstehung sein?’

Wenn das Auge geblendet ist und der Mond sich verfinstert und Sonne und Mond miteinander vereinigt werden. An jenem Tage wird der Mensch sagen: ‚Wo ist der Zufluchtsort?’

Nein! Es gibt keine Zuflucht! Zu deinem Herrn wird an jenem Tag die Heimkehr sein. An jenem Tag wird dem Menschen verkündet, was er vorausgeschickt und was er hinter sich gelassen hat.“ (75:7-13)

Weder im heiligen Qur’ân noch in den prophetischen Überlieferungen ist für den Tag der Auferstehung ein genauer Zeitpunkt angegeben. In den Quelltexten werden jedoch eine Reihe von kleinen und großen Vorzeichen des Jüngsten Tages erwähnt. Die zur Verfügung stehenden Informationen möchten wir hier zusammengefasst wiedergeben:

2. Kleinere Vorzeichen des Jüngsten Tages

1. Das Wissen wird immer weniger werden, während gleichzeitig die Unwissenheit wächst. Alkoholkonsum und Unzucht werden weit verbreitet sein.

2. Mord und Totschlag, aus geringem oder nichtigem Anlass, werden vermehrt begangen werden.

3. Gerechtigkeit und Kompetenz werden verschwinden und keiner wird mehr fragen, was rechtmäßig oder unrechtmäßig ist.

4. Der Gehorsam gegenüber den Eltern wird verschwinden und Männer werden von ihren Frauen beherrscht werden.

5. Betrug und alle möglichen Formen von Korruption werden weit verbreitet sein und jeder wird beginnen, über diese Übel zu klagen.

6. Respekt und Mitgefühl gegenüber anderen Menschen werden deutlich abnehmen und Warnungen werden unbeachtet bleiben.

7. Die Zuwanderung in den Städten und das Errichten von Gebäuden werden stark zunehmen. Inkompetente und üble Leute werden Respekt genießen und Macht und Autorität besitzen.

8. Glücksspiel, Wahrsagerei und Spielgeräte werden weitverbreitet und populär sein. Die Menschen werden nicht mehr bemerken, wie die Zeit vergeht.

9. Die Verschwendung von Geld, Gütern und Ressourcen wird zunehmen. Die Menschen werden materielle und weltliche Interessen der Glückseligkeit im Jenseits vorziehen.

3. Größere Vorzeichen des Jüngsten Tages

1. Das Erscheinen von Rauch, der vierzig Tage lang anhält

2. Das Erscheinen des Anti-Christ (ad-Dajjâl)

3. Das Erscheinen eines Ungeheuers (Dâbbatu l-Ard) aus der Erde

4. Das Aufgehen der Sonne vom Westen her

5. Die weltweite Ausbreitung von Gog und Magog (Ya’jûj wa Ma’jûj)

6. Die Wiederkunft ´Îsâs – Friede sei mit ihm – zur Erde

7. Die Ausbreitung eines gewaltigen Feuers in der Gegend von Hijâz

8. Das Versinken dreier Orte, im Osten, im Westen und auf der arabischen Halbinsel

4. Anbruch des Jüngsten Tages

Der Jüngste Tag bricht an, wenn der Erzengel Israfîl seine Trompete bläst. Die Auferstehung beginnt dann, wenn er zu zweiten Mal die Trompete bläst. Dies wird im heiligen Qur’ân so beschrieben:

Und die Trompete wird geblasen, und alle, die in den Himmeln und auf Erden sind, werden tot niederstürzen, außer denjenigen, die Allah (ausnehmen) will. Dann wird noch einmal die Trompete geblasen, und siehe, da stehen sie auf und schauen zu.“ (39:68)

Über diese Erklärungen und die Kunde von den Vorzeichen des Jüngsten Tages hinaus gibt es noch eine weitere, detailliertere Klassifizierung der Trompetenstöße Israfîls, der zufolge er insgesamt dreimal die Trompete blasen wird.

1. Nafkhatu l-Faza, der Trompetenstoß, bei dem die ganze Welt still steht.

2. Nafkhatu s-Sâ’iqa, der Trompetenstoß, bei dem alles, außer Allah dem Allmächtigen, zunichtewird: Kein Hügel bleibt mehr stehen und die Erde wird vollkommen flach und eben.

3. Nafkhatu Qiyâmi Rabbi l-´Âlamîn, der Trompetenstoß der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts, bei dem Allah der Allmächtige allen Wesen befiehlt: „Erhebt euch!“ und sie erstehen wieder auf.[1]

Allah der Erhabene sagt:

Und es wird die Trompete geblasen, und siehe, sie eilen aus ihren Grabstätten zu ihrem Herrn hervor. Sie werden sagen: ‚O wehe uns! Wer hat uns von unseren Ruhestätten erweckt? Das ist, was der All-Barmherzige verheißen hat, und die Gesandten haben die Wahrheit gesprochen.’“ (36:51-52)

Nach den Aussagen der Gelehrten werden die Ungläubigen und Übeltäter in ihren Gräbern Strafe und Pein erleiden. Mit den Qualen der Hölle verglichen sind diese jedoch kaum der Rede wert, weshalb der Zeitraum im Grab als eine Zeit des Schlafes betrachtet wird. Wenn sie dann aus diesem Schlaf erwachen, werden die Übeltäter und die, die im Unglauben gestorben sind, sich schrecklichen Schmerzen ausgesetzt sehen und in Panik um Hilfe rufen und sagen:

„Oh wehe uns, in welchem Zustand finden wir uns wieder![2]

Dies werden die Worte derer sein, die zur Strafe verdammt sind. Nach den Erklärungen der Gelehrten wird die Strafe des Grabes für eine Zeit von vierzig Jahren zwischen dem ersten und zweiten Trompetenstoß ausgesetzt und die Toten werden in eine Art Schlaf verfallen. Wenn sie dann am Jüngsten Tag aus ihrem Schlaf gerissen werden und sich der Strafe gegenübersehen, werden sie anfangen zu klagen und fragen:

„Wer hat uns aus unserem Schlaf geweckt?“

Die entscheidende Frage ist deshalb nicht die, wann der Letzte Tag anbricht, sondern, ob jeder vorbereitet ist für seinen eigenen letzten Tag, den Tag seines Todes, und für das jenseitige Leben.

Diese Welt ist ein vergängliches Trugbild, im Jenseits jedoch erwartet uns ein Leben in der Ewigkeit. Aus diesem Grunde sollten wir beizeiten zur Besinnung kommen, bevor der Tod uns holt, damit wir uns nicht dann der Strafe gegenüber sehen und hilflos voller Bedauern dastehen. Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass jeder Mensch, an einem ihm noch unbekannten Ort, zu einer unbekannten Zeit, dem Todesengel Azraîl begegnen wird. Deshalb sollte er sich der Weisheit des Verses: „So flieht denn zu Allah!“ (51:50) bewusst werden und seine Zuflucht einzig bei Allah, dem All-Barmherzigen suchen.

Aufrichtige Gläubige sind die, die heute anfangen, in ihr jenseitiges Leben zu investieren, statt tatenlos auf ihren eigenen letzten Tag zu warten. Für solche Menschen wird es am furchterregenden Tag des Jüngsten Gerichtes keine Angst und keine Trauer geben. Der wohlbekannte Yunus Emre bittet deshalb für den Jüngsten Tag Allah, den Herrn der Welten:

„O mein Gott, mach uns von denen,

die eingeh’n in des Paradieses Heimstatt!

Von denen, die Deine Schönheit erblicken,

bei der Ankunft in Deiner Gegenwart.“

 

[1] Tefhim, IV, 591

[2] Ömer Nasuhi Bilmen, Tefsir, VI, 2943