Rizq – Lebensunterhalt

Abū Hāzim sagte:

Ich fand die ganze Welt in zwei Dingen: Das erste ist meine Versorgung [rizq], und das zweite ist die Versorgung anderer. Meine Versorgung wird mich erreichen, selbst wenn ich auf dem Winde reiten würde, um vor ihr davonzufliegen. Wenn ich jedoch versuchte, die Versorgung eines anderen zu erlangen, wäre ich niemals dazu in der Lage, selbst wenn ich auf dem Winde reiten würde, um ihr nachzujagen.

Die Furcht vor Hunger, Armut oder davor, kein Einkommen oder keinen Lebensunterhalt finden zu können, gehört zu jenen Ängsten, die schwer auf dem Bewusstsein des Menschen lasten und ihn sehr bedrücken können. Dabei ist der Lebensunterhalt [rizq] einer der zentralen Punkte im „Programm des Schicksals“. Dieses „Programm“ beginnt in den frühen Stadien der Menschwerdung im Mutterleib und reicht bis zum Zeitpunkt unseres Todes, gemäß dem uns vorherbestimmten Geschick. Der Augenblick des Todes ist dabei gewissermaßen der Moment, in dem das Erlangen unseres Lebensunterhaltes sein Ende findet.

Die Versorgung aller Geschöpfe ist vorherbestimmt; weder vermehrt sie sich noch vermindert sie sich gegenüber dem, was festgelegt ist. Die Benutzung mittelbarer Ursachen zum Erwerb von Unterhalt [tawassul bi l-asbāb] führt nur dann zu Ergebnissen, wenn dies von Allāh vorherbestimmt ist. Dies wird im folgenden Qur’ānvers deutlich:

{Es gibt kein Lebewesen auf Erden, dessen Versorgung nicht Allāh ob­läge. Und Er kennt seinen Aufenthaltsort und seine Heimstatt – alles ist ver­zeichnet in einer eindeutigen Niederschrift.} (11:6)

Allāh gewährt einem jeden einzelnen Geschöpf seinen Anteil an Versorgung. Aus diesem Grunde hören die Gottesfreunde Äußerungen der Dankbarkeit für die Gnadengaben Allāhs selbst im Gesang der Nachtigallen in den Rosenbüschen. Der folgende Qur’ānvers verdeutlicht, dass Allāh, der Allmächtige, auch die Versorgung jener gewährt, die krank, behindert oder aus anderen Gründen unfähig sind, ihren Lebensunterhalt zu erwerben:

{Und wie viele Lebewesen gibt es, die nicht ihren eigenen Unterhalt her­bei­tragen. Allāh beschert ihnen und euch den Unterhalt – und Er ist der All-Hörende, der Allwissende.} (29:60)

Dabei ist es wichtig, sich die vielfältigen Formen der unterschiedlichen Verteilung von Unterhalt in dieser Welt vor Augen zu führen. Erst durch diese Vielfalt entstehen Ordnung und Harmonie in der Gesellschaft, und diese ist es, die Spaltungen und Konflikte verhindert. Der Qur’ān legt dar, dass alle weltlichen Besitztümer letztendlich Allāh gehören, und dass Er es ist, der sie entsprechend Seinem göttlichen Wissen gemäß dem, was wir vorherbestimmtes Geschick [qada’ und qadar] nennen, verteilt. Die Gläubigen sollten sich bewusst sein, dass Unterschiedlichkeit in der Verteilung der Versorgung zu ihrem Vorteil ist. Wäre die Ordnung der Lebensumstände den schwachen Fähigkeiten und Launen der Menschen mit ihrer von Begierden, Ambitionen und persönlichen Beschränkungen getrübten Wahrnehmung überlassen, würde das Universum in Anarchie versinken. Deshalb verkündet Allāh, der Erhabene:

{Sind sie es etwa, welche die Gnade deines Herrn verteilen? Wir verteilen unter ihnen ihren Lebensunterhalt im diesseitigen Leben. Und Wir erhöh­ten die einen von ihnen über die anderen im Rang, auf dass die einen die anderen in den Dienst nehmen – und die Gnade deines Herr ist besser als das, was sie anhäufen.} (43:32)

Die Verteilung der Versorgung unter den Geschöpfen in diesem Universum ist eines der Zeichen der absoluten Macht und Souveränität Allāhs. Zu jeder Ta­geszeit sind die Esstische der Geschöpfe, die durch die Lüfte fliegen, sich auf der Erde bewegen oder im Meer schwimmen reichlich gedeckt. Darüber hinaus kann sich keineswegs jedes Geschöpf von der Nahrung eines anderen ernähren. Das bedeutet: Die Nahrung jedes Lebewesens ist seiner Umgebung und seinen speziellen Bedürfnissen angepasst. Diese Vielfalt der unterschiedlichsten Arten von Unterhalt – so zahllos wie die Anzahl der Geschöpfe im Universum, die jedes einzelne auf seine, ihm eigene, Art und Weise mit Nahrung versorgt werden – ist für jene, die Verstand besitzen, die höchste Manifestation von Weisheit, Macht und Souveränität. In einem Qur’ānvers verkündet Allāh, der Erha­bene:

{Aber wissen sie denn nicht, dass Allāh den Lebensunterhalt erweitert oder beschränkt, wem Er will? Wahrlich, darin sind Zeichen für Leute, die glauben.} (39:52)

Und der Gesandte Allāhs – Segen und Friede seien auf ihm – sagte dazu:

Wann immer einer von euch jemanden sieht, der über ihm steht, soll er auch auf jemanden schauen, der unter ihm steht! Dies ist notwendig, da­mit ihr nicht auf die Gnadengaben Allāhs herabseht.“[1]

Glück und Freude in unserem Leben hängen entscheidend von dem Glauben daran ab, dass der Anteil an Versorgung, der uns gegeben wurde, das Beste für uns ist. Es gibt so viele Dinge, die auf den ersten Blick als Unglück wahrgenommen werden, deren Ergebnis in Wirklichkeit jedoch ein Segen sind – wie die Bedürftigkeit, die den Weg ins Paradies ebnet. Und ebenso gibt es viele Dinge, die als Glücksfall erscheinen und sich in der Folge als enttäuschende Fehlschläge erweisen – wie Reichtum, der anstatt für wohltätige Zwecke eingesetzt zu werden, zur Befriedigung billiger egoistischer Wünsche verschwendet wird. Allāh, der Erhabene, sagt dazu:

{Esst von den guten Dingen, mit denen Wir euch versorgt haben, doch überschreitet nicht das Maß, damit nicht Mein Zorn auf euch niederfährt! Und auf wen Mein Zorn niederfährt, der stürzt ins Verderben.} (20:81)

Angesichts dieser Wahrheiten wird deutlich, dass im Akzeptieren der göttlichen Verteilung des Lebensunterhaltes ein Weg zur Glückseligkeit in dieser Welt und im Jenseits liegt. Da unser Schöpfer die Versorgung des Menschen bereits zugeteilt hat, noch bevor dieser erschaffen wurde, sollte er sich ganz mit Seinem göttlichen Willen abfinden und den Lebensunterhalt genießen, der ihm vorherbestimmt wurde, um so die Süße des Glaubens an die göttliche Bestimmung zu erfahren. In einem Hadīth qudsī heißt es:

Allāh, der Allmächtige, befahl Seinen Engeln, die für die Aufteilung der Versorgung zuständig sind: ‚Wenn ihr einen Meiner Diener findet, der sein gesamtes Streben auf das Jenseits ausgerichtet hat, dann gewährt ihm alle Gunst der Himmel und der Erde! Und wenn ihr einen Meiner Diener findet, der auf rechte Weise nach seiner Versorgung strebt, so geht mit ihm in bester Weise um und macht ihm seinen Weg leicht!‘“[2]

Dieses Hadīth belegt eindeutig, dass dem Diener, der sein Begehren und seine Absichten einzig und allein auf Allāh ausrichtet, nur Ihm gehorcht, Ihm nur um Seinetwillen dient und so zu einem aufrichtigen und ergebenen Gläubigen wird, alle Segnungen des Himmels und der Erde garantiert werden. Für solche Diener erschafft Allāh, der Allmächtige, in großzügiger Weise Ursachen, durch die ihnen ihre Versorgung zukommt. Dies kommt auch in dem folgenden Vers zum Ausdruck:

{Und wer Allāh fürchtet, dem schafft Er einen Ausweg; und Er beschert ihm Unterhalt, von wo er es nicht erwartet.} (65:2-3)

Und unser ehrwürdiger Prophet – Segen und Friede Allāhs seien auf ihm – sagte dazu: „Wenn ihr vollkommen auf Allāh vertraut, gewährt Er euch eure Versorgung in derselben Weise, wie Er für die Vögel sorgt: Sie fliegen morgens mit leerem Magen los und kommen abends satt zurück.[3]

Arten wie Ameisen, die im Sommer Nahrungsvorräte für den Winter sammeln, sind eher eine seltene Ausnahme. Es ist bekannt, dass andere Tierarten – auch ohne wie die Ameisen Wintervorräte anzulegen – die härtesten klimatischen Bedingungen heil überstehen und gesund den Frühling erreichen. Wie könnte es in dieser perfekten göttlichen Ordnung, die Seiner absoluten Souveränität untersteht, auch sein, dass der Schöpfer vergäße, Seine Geschöpfe zu ver­sorgen?

Jedoch Faulheit, Geiz, Neid, das absichtliche Vermeiden von Geburten aus finanziellen Erwägungen und dergleichen mehr, sind falsche und abzulehnende Verhaltensweisen im Umgang mit der Frage unserer Versorgung in dieser Welt!

Wie schon erwähnt, lehrt der Islam, dass der Anteil eines Jeden an der Versorgung vorherbestimmt ist und sich zu keiner Zeit vermehrt oder vermindert. Allāh, der alles in der Existenz erschaffen hat, hat jedem einzelnen Geschöpf seine Lebensspanne gewährt und ihm den für diese Zeit ausreichenden Lebensunterhalt bestimmt.

Die Lebensspanne eines Menschen, sowie jeder Atemzug und jeder Bissen, den er zu sich nimmt, sind auf der „Tafel der Bestimmung“ festgelegt und schon seit der Erschaffung Ādams – auf ihm sei der Friede Allāhs – als dessen Nachkommenschaft [dhurriyya] kodiert. Doch das Arbeiten zum Erwerb des notwendigen, ihnen zugeteilten Lebensunterhaltes ist ebenfalls ein Gebot für die Gläubigen. Deshalb zählt es zu unseren Pflichten, diesem göttlichen Befehl zu gehorchen und unseren Unterhalt durch Arbeit zu verdienen. Mit anderen Worten gesagt, ist die Zuteilung der vorbestimmten Versorgung an die Vorbedingung der Arbeit gebunden. Ein bekanntes türkisches Sprichwort besagt: „Unterlas­se nicht, was nötig ist, und beschuldige nicht fälschlicherweise die Be­stim­mung!“ Allāh, der Allmächtige, hat uns in Seiner göttlichen Weisheit mit Fähigkeiten wie Willenskraft, Unternehmungsgeist, Verantwortungsgefühl, Gott­vertrauen und Einsicht ausgestattet. Diese mutwillig zu ignorieren stellt in der Tat eine Form von Rebellion gegen unseren Herrn dar.

Uns vor Gefahr zu schützen, indem wir beispielsweise bei Krankheit einen Arzt aufsuchen und Medizin einnehmen, oder vor einer Feuersbrunst oder ei­nem Erdbeben fliehen, entspricht unserer natürlichen Veranlagung. Der göttliche Befehl, uns anzustrengen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen, zielt ebenfalls darauf ab, uns vor Gefahren zu bewahren und ist keineswegs unvereinbar mit dem Glauben an die göttliche Bestimmung. Wäre dies der Fall, wäre es sinnlos, von den Gottesdienern zu verlangen, sie sollten sich um ihren Unterhalt bemühen! Die von Ihm erschaffenen Regeln der Kausalität zu leugnen, ist jedoch eine Form von Auflehnung gegen Allāh und stellt eine große Sünde dar. Im Edlen Qur’ān heißt es:

{Und dem Menschen wird nichts zuteil, außer dem, wonach er strebt.} (53:39)

Der ehrwürdige Prophet – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – sagte:

Es ist besser für einen Mann, sein Seil zu nehmen und in den Wald zu gehen, um Feuerholz zu sammeln, als die Leute um Almosen zu bitten; unabhängig davon, ob sie ihm geben, was er braucht, oder nicht.“[4]

In einem Bericht des Ibn al-Firāsī heißt es, dass sein Vater einmal den Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – fragte: „O Gesandter Allāhs, soll ich die Leute um das bitten, was ich brauche?“ Da antwortete der Prophet: „Du sollst niemanden bitten! Wenn du jedoch dazu gezwungen bist, dann bitte die Rechtschaffenen.[5]

Zusätzlich zu dem, was wir bereits erwähnt haben, hat Allāh, der Allmächtige, Seinen Geschöpfe bestimmt, dass einer für den anderen Mittler zum Erhalt des Lebensunterhalts sei. Sich um Arme und Bedürftige zu kümmern, ihnen Unterstützung zukommen zu lassen und ihnen einen Teil dessen zu geben, was Allāh uns von Seinen Gaben gewährt hat, ist deshalb eine große Tugend. Es wird überliefert, der Erzengel Jibrīl – auf ihm sei Friede – habe gesagt:

Wenn ich zu den Bewohnern dieser Welt zählte, wären mir drei Dinge am liebsten: Jene zu führen, die ihren Weg verloren haben; jene zu lieben, die in Armut Gottesdienst verrichten; und bedürftigen Menschen zu helfen, die sich um viele Kinder kümmern müssen.“

1.1Gesetzlich zulässige und rechtmäßig erworbene Nahrung

Ein weiterer wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang die Ernährung mit dem, was halāl ist, das heißt, mit dem, was gesetzlich zulässig und auf rechtmäßige Weise erworben wurde – und dies ist einer der wichtigsten Faktoren auf dem Weg der spirituellen Vervollkommnung.

Sahl ibn al-Tustarī verkaufte einmal ein Schaf. Nach einer Weile kam der Käufer zurück und sagte zu al-Tustarī: „Ich möchte, dass du das Schaf zurücknimmst, denn es frisst kein Gras.

Al-Tustarī fragte ihn: „Woher weißt du das denn?

Der Mann sagte: „Ich habe es zum Grasen auf ein Feld gebracht, doch es hat keinen einzigen Halm gefressen.

Da sagte al-Tustarī zu ihm: „Mein Freund, du musst etwas falsch gemacht ha­ben. Unsere Tiere sind nicht daran gewöhnt, von dem zu fressen, was jemand anderem gehört. Geh, und lass es von dem fressen, was dir gehört!

Der Mann tat wie ihm geheißen ward, und da begann das Schaf zu fressen.

Wie diese Geschichte zeigt, wirkte sich einst die Sorgfalt der Muslime bei der Auswahl rechtmäßiger Nahrung selbst auf ihre Tiere aus. Die Auswahl gesetzlich zulässigen und auf rechtmäßige Weise erworbenen Unterhalts stellt das Licht des Lebens, die Freude des Herzens und die Essenz des Gottesdienstes dar und ist einer der entscheidenden Faktoren bei den Bemühungen um ein reines Herz [qalb salīm]. Gesetzlich unzulässige oder unrechtmäßig erworbene Nahrung [harām] ist hingegen ein Gift, welches das Leben zerstört, ein Feuer, welches das Herz verbrennt, und bringt schrecklichen Verlust mit sich. Erniedrigung in dieser Welt und im Jenseits, Ehrlosigkeit und Unglücke sind die tief­greifenden Folgen unrechtmäßigen Erwerbs von Unterhalt.

Rechtmäßig erworbener Besitz und gesetzlich zulässige Nahrung sind Mittel zum Erwerb des göttlichen Wohlgefallens, wohingegen unrechtmäßiger Gewinn und unzulässiges Essen dem Menschen großes Bedauern und schreckliche Enttäuschungen einbringen. Wenn das Herz, anstatt Allāh, dem Erhabenen, vorbehalten zu sein, vom Streben nach Reichtümern und großer Nachkommenschaft besessen ist, sind Kummer und Verzweiflung das einzige Ergebnis. Der ehrwürdige Meister Jalāl al-Dīn Rūmī erklärt dies in dem folgenden Beispiel:

Wenn Wasser das Innere des Schiffes füllt, führt es zu dessen Untergang! Wenn es sich jedoch unter dem Schiff befindet, wird es zu einer tragenden Kraft. Als Sulaymān – auf ihm sei der Friede – die Liebe zu Hab und Gut aus seinem Herzen geworfen hatte, sagte er: „Ich bin ein Bedürftiger; und dem Bedürftigen gebührt es, mit den Bedürftigen zu sein!“ – da wurde ihm eine erhabene Stellung zuteil.

Und Allāh, der Erhabene, sagt im Edlen Qur’ān:

{O ihr Menschen, ihr seid die Bedürftigen gegenüber Allāh, doch Allāh ist der, Der frei von allen Bedürfnissen ist, der allen Preises Würdige!} (35:15)

Aus diesem Grunde sagte der ehrwürdige Gesandte Allāhs – Segen und Friede seien auf ihm – über Hab und Gut, das nur für die Religion auf dem Wege Allāh eingesetzt wird: „Wie trefflich ist doch ein Besitz, der nur für Gutes ausgegeben wird!“

Von ‘Umar ibn al-Khattāb – möge Allāh mit ihm zufrieden sein – wird folgendes Bittgebet überliefert: „O Allāh, vertraue den Vortrefflichen unter uns reichlichen Besitz an, auf dass sie damit den Bedürftigen unter uns helfen!

Auf der anderen Seite kann unrechtmäßig erworbenes Gut weder als Zakāt noch als Sadaqa gegeben werden, da es ja, rechtlich gesehen, Eigentum eines anderen ist. Unrechtmäßige Einkünfte sind sowohl im Diesseits wie im Jenseits eine Schande. Ein rechtmäßig erworbener Bissen bringt Weisheit, Wissen und Erkenntnis hervor und erweckt Liebe zu Allāh und Begeisterung im Herzen.

Genau so, wie es unmöglich ist, Gerste auf einem Feld zu ernten, auf dem nur Weizen gesät wurde, ist es auch unmöglich, spirituelle Vervollkommnung zu erreichen, wenn der Körper mit dem ernährt wird, was harām ist. Wenn der Körper nicht mit dem ernährt wird, was halāl ist und dem Menschen die Kraft zur Gotteserkenntnis gibt, sind weder spirituelle Vollkommenheit im Herzen, noch demütige Hingabe im Gottesdienst möglich.

Wir sollten einmal über das Geheimnis nachdenken, das in einem Hadīth qudsī zum Ausdruck kommt, in dem Allāh, der Erhabene, spricht: „Ich scheue mich, den zur Verantwortung zu ziehen, der sich von aller verwehrten [harām] Nahrung ferngehalten hat.

Aus diesem Grunde ist es unerlässlich, seinen Unterhalt in dieser Welt auf rechtmäßige Weise zu erwerben. Nur die Nahrung, die halāl ist, verleiht dem Menschen die Kraft, auf dem geraden Weg der Rechtschaffenheit zu wandeln, stattet ihn mit göttlicher Weisheit aus, und leitet ihn aus dem Gefängnis des Diesseits zum Licht Allāhs.

Dabei sollten wir nicht vergessen, dass eine gewisse Grauzone zwischen dem Rechtmäßigen und Unrechtmäßigen existiert, von der man sich genau so fern halten sollte, wie von dem, was unrechtmäßig ist. Zweifelhafte Angelegenheiten sind wie eine nur Allāh vorbehaltene Weide, und wer sich dorthin begibt, wird zunichte werden. Denn nicht umsonst hat uns der Gesandte Allāhs – Segen und Friede seien auf ihm – eindringlich gewarnt, als er sagte:

Sowohl das Zulässige [halāl] als auch das Verwehrte [harām] sind ein­deutig klar, doch zwischen diesen beiden gibt es zweifelhafte Dinge. Wer immer sich von diesen fern hält, rettet seine Religion und seine Ehre, wer immer sich auf sie einlässt, fällt hinein in das, was verwehrt ist. Er ist wie ein Hirte, der seine Schafe dicht an der Weide eines anderen weiden lässt, so dass sie jeden Augenblick kurz davor sind, auf dessen Gebiet zu ge­ra­ten. Seid auf der Hut! Ein jeder König besitzt eine ihm allein vorbehaltene Weide, und die allein Allāh vorbehaltene Weide ist das, was Er für ver­wehrt er­klärt hat!“

Maulānā Rūmī lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass rechtmäßig einwandfreie Nahrung den Menschen mit Spiritualität [rūhaniyya] und göttlichem Licht [nūraniyya] erfüllt, wenn er sagt:

Es gibt für den Menschen keine andere Nahrung als Licht;

nichts anderes kann die Seele ernähren!

Darum gib, Schritt für Schritt, irdisches Essen und Trinken auf, denn sie sind nicht die wirkliche Nahrung des Menschen!

Mühe dich, die Fähigkeit zu erlangen, himmlische Nahrung aufzunehmen,

Bereite dich auf den Bissen himmlischen Lichtes vor! Beherzige die Anweisung im Qur’ān: {Strebt nach der Gunst Allāhs!} (62:10)

Hüte dich davor, dass der Körper sich nicht beugt und hingibt, sondern sich verstockt gegenüber der Wahrheit zeigt – bis er den Hunger spürt!

Ihn im satten Zustand zu unterwerfen, gleicht dem Versuch, kaltes Eisen zu schmieden.

Das Ego gleicht dem Fir‘aun [Pharao], der Mūsā in den Jahren der Dürre um Hilfe bat.

Wenn du dich von diesen Krümeln (irdischer Nahrung) fern hältst, wird dir erhabener und gna­den­reicher Unterhalt zuteil!

Selbst wenn du Tonnen davon isst, wirst du leicht dahingleiten wie eine Feder.

Selbst wenn du einen Ozean davon trinkst, wirst du obenauf schwimmen wie ein Schiff.

Der Hunger des Magens führt den Menschen in den Heuschober, doch der Hunger des Herzens führt den Menschen in die Gärten süßen Basilikums.

Ein Vieh, das mit Heu und Gerste gefüttert wird, endet am Ende als Opfertier;

derjenige, dessen Nahrung das Licht der Wahrheit ist, wird zu einem lebenden Qur’ān.

Gib deinen Magen auf und schreite auf dein Herz zu, auf dass der Friede Allāhs zu dir kommt!

Sei dir bewusst, dass der Hunger die Grundlage aller Heilmittel ist. Nimm den Hunger mit Entschlossenheit an – verachte ihn nicht!

Unsere Ausgaben in dieser Welt sind für unseren Lebensunterhalt und den unserer Familien bestimmt. Dabei müssen wir jedoch jegliche Form von Extravaganz meiden. Der Wohlstand und die Ressourcen dieser Welt sind begrenzt; sie sind ein uns von Allāh anvertrautes Gut, und im Jenseits werden wir in Hinblick auf sie zur Verantwortung gezogen werden. Sie gedankenlos zu verschwenden, wie es in den heutigen kapitalistischen Gesellschaften gang und gäbe ist, gefährdet das Leben zukünftiger Generationen. Unter allen Lebewesen ist der Mensch das einzige, das einen unstillbaren Drang nach immer mehr besitzt. Ein Raubtier greift eine Schafherde nur an, um seinen akuten Hunger zu stillen. Es fährt nicht fort zu töten, indem es sich denkt „ich werde es morgen essen“. In der Tat wird es, wenn es einmal gesättigt ist, den anderen Schafen in der Herde zum Freund. Die Menschen hingegen sind von grenzenlosen Begierden geprägt. Die erste Voraussetzung um einen Menschen von seinen endlosen Ambitionen zu befreien, besteht darin, ihn vor Verschwendung zu bewahren, indem man ihm den festen Glauben daran vermittelt, dass sein ihm bestimmter Lebensunterhalt sich weder vermehrt noch vermindert. Im Edlen Qur’ān heißt es dazu:

{Und es gibt nichts, von dem Wir nicht unerschöpfliche Schätze besäßen – doch Wir senden davon nur in festgesetztem Maß hinab.} (15:21)

In diesem Vers wird erklärt, dass die Verteilung des Lebensunterhalts gemäß dem göttlichen Willen geschieht, sodass Ehrgeiz und Habgier für einen intelligenten Menschen eigentlich ausgeschlossen sein müssten. Darüber hinaus macht der Vers deutlich, dass es Allāh, der Erhabene, ist, der das jeweilige Maß der Versorgung bestimmt. Wenn wir all unsere Wünsche und nie enden wollenden Bestrebungen zusammenzählen, so entsteht eine lange Kette, die man als weltliche Ambitionen oder Tūl al-Amal bezeichnet. Diese reichen aber höchstens, bis wir ins Grab gelegt werden.

Die weltlichen Ambitionen gleichen einem flüchtigen Schatten, dem wir erfolglos nachjagen, bis er schließlich mit dem Untergang der Sonne ganz entschwindet – sie sind mit immer neuen Enttäuschungen und Bedauern verbunden. Sünden verdunkeln unser Inneres und machen es blind für die Wirklichkeit; sie nehmen unseren Herzen die Empfindsamkeit gegenüber der göttlichen Wahrheit. Ein Aspekt, der diese Krankheit des Herzens bedingt, ist der Verzehr von unzulässiger [harām] Nahrung. So wird überliefert, dass die Gebete eines Menschen, der verbotene Nahrung zu sich nimmt, vierzig Tage lang unerhört bleiben. Der Grund dafür ist, dass Nahrung vierzig Tage im Körper zirkuliert, bis sie vollkommen ausgeschieden ist. Diese Überlieferung illustriert die krankmachenden Effekte unzulässiger Nahrung auf das spirituelle Wohlergehen des Herzens.

Demzufolge ist die Ernährung durch das, was Allāh verwehrt hat, im spirituellen Sinne ein Gift für unsere Körper, das es uns unmöglich macht, den süßen Wohlgeschmack des Gottesdienstes wahrzunehmen. Wir sollten deshalb äußerst vorsichtig sein, auf welche Art und Weise wir das kostbare, einmalige Kapital unseres Lebens ausgeben und eine gesicherte Form der Investition unserer begrenzten Zahl von Atemzügen wählen, anstatt diese an die Güter dieser Welt zu verschwenden – auf dass uns nicht der Gewinn der Ewigkeit entgehe.

Wir sollten das Vergängliche gegen das Ewige eintauschen und als Reisende den geraden Weg der Rechtschaffenheit dem Weg in die Abgründe des zerstörerischen Irrtums vorziehen.

O Allāh, versorge Du uns mit reinem und rechtmäßigem Unterhalt und gewähre uns durch Deine Gnade gesegnete Versorgung durch rechtschaffene Taten!

Āmīn!

 

[1] Überliefert von al-Bukhārī und Muslim in ihren Sahīhs und von al-Tirmidhī in seinem Sunan. Mit dem, „der über ihm steht“, ist hier gemeint: „Der, dem mehr Versorgung gewährt wurde“, oder auch „der einen höheren Rang inne hat“.

[2] Überliefert in al-Hakīm al-Tirmidhīs Nawādir al-Usūl.

[3] Überliefert von al-Tirmidhī und Ibn Mājah in ihren Sunan.

[4] Überliefert in Sahīh al-Bukhārī.

[5] Überliefert von al-Nasā’ī, Abū Dāwūd und Ibn Mājah in ihren Sunan.