Das Gebet bedeutender Persönlichkeiten des Islam

´Umar, der zweite Kalîf des Islam – möge Allah mit ihm zufrieden sein –, war bei dem Attentat eines Feueranbeters schwer verwundet worden und dem Tode nah. Er litt unter heftigem Blutverlust und wurde bald bewusstlos. Als jedoch die Gebetszeit begann, sagte jemand ihm ins Ohr:

„Das Gebet! Es ist Zeit für das Gebet, o ´Umar!“

woraufhin er wieder zu sich kam und das Gebet verrichtete. Danach sagte er:

Wer das Gebet nicht verrichtet, hat keinen Platz im Islam!

Kurz darauf verlor er wieder das Bewusstsein und verstarb bald danach.

´Alî – möge Allah mit ihm zufrieden sein –, der vierte Khalîf, pflegte während des Gebetes bleich zu werden und alle weltlichen Empfindungen abzulegen. Als er einmal während einer Schlacht von einem Pfeil getroffen wurde, fing er an, das Gebet zu verrichten, damit man diesen aus seinem Körper ziehen konnte. Dabei spürte er keinen Schmerz, als der Pfeil herausgezogen wurde.

Einmal wurde er gefragt: „O Führer der Gläubigen! Warum wird dein Gesicht bleich und dein Körper fängt an zu zittern, wenn die Gebetszeit beginnt?“

Er antwortete: „Weil es die Zeit ist, einen Gottesdienst zu verrichten, den die Erde und der Himmel nicht tragen könnten. Und ich weiß nicht, ob ich ihn vollkommen verrichten kann oder nicht!“

Alle Gefährten des Propheten – möge Allah ihn und sie alle segnen und ihnen Frieden schenken – waren im Gebet von Gottesfurcht und Ergebenheit erfüllt.

Hasan, der Enkel des Gesandten Allahs – Segen und Friede seien auf ihm und seiner Familie –, pflegte während der Gebetswaschung zu erbleichen. Jemand, der dies bemerkte, fragte ihn deshalb: „O Hasan, warum wirst du bleich während der Waschung?“

Er antwortete: „Weil es Zeit ist, in die Gegenwart Allahs, des Allmächtigen und Majestätischen, zu treten!“

Wenn er die Moschee betrat, rezitierte er die folgenden Worte:

O mein Herr! Dein Diener steht an Deiner Pforte! O All-Barmherziger, Dein sündigster Diener steht vor Dir. Du hast Deinen rechtschaffenen Dienern befohlen, die schlimmsten Taten der sündigen Menschen zu vergeben, weil Du der Großzügigste und All-Verzeihende bist. Vergib mir meine Sünden, erweise mir Deine Gnade durch Deine Großzügigkeit und erbarme Dich meiner!

Zaynu l-´Âbidîn pflegte bleich zu werden, wenn er aufstand, um die Gebetswaschung zu verrichten und seine Knie begannen zu zittern, wenn er anfing, zu beten. Denjenigen, die ihn fragten: „Was ist mit dir?“ antwortete er:

„Wisst ihr denn gar nicht, in wessen Gegenwart zu begeben ich mich anschicke?“

Einmal geriet sein Haus in Brand, während er das Gebet verrichtete, doch er bemerkte nichts davon. Nachdem er sein Gebet beendet hatte, erzählte man ihm, was geschehen war und fragte ihn: „Wieso hast du nicht gemerkt, was geschehen ist?““

Er antwortete: „Das Feuer im Jenseits hat mich daran gehindert, das Feuer im Diesseits zu bemerken!“

Ähnliches wird auch von Muslim ibn Yasar berichtet. Er betete einmal in einer Moschee in Basra, als diese einstürzte, doch er bemerkte nichts davon und betete weiter. Nachdem er sein Gebet beendet hatte, wurde er gefragt:

„Die Moschee ist eingestürzt, doch du hast dich nicht darum gekümmert, wie kannst du dich so verhalten?“

Voller Verwunderung fragte er: „Ist sie wirklich eingestürzt?“

Sufyân ath-Thaurî war einmal in einem Zustand großer spiritueller Ekstase. Er zog sich für sieben Tage in die Abgeschiedenheit zurück. Er aß und trank nichts. Als sein spiritueller Meister davon erfuhr, fragte er:

„Ist er in der Lage, die Gebetszeiten einzuhalten?“

Als man ihm sagte, dass er sich an die Gebetszeiten hielte und seine Gebete in ordentlicher Weise verrichte, sagte er:

„Dank sei Allah, der nicht zulässt, dass Schaytân ihn überwältigt!“

Einer der Gottesfreunde berichtete:

„Ich verrichtete einmal das Nachmittagsgebet hinter dem Meister Dhû n-Nûn al-Misrî. Als dieser, der zu den großen Auliyâ gezählt wird, ‚Allahu akbar!’ sagte, war das Wort ‚Allahu’ so gewaltig, dass ich dachte, meine Seele würde meinen Körper verlassen. Und als er sagte ‚akbar’, war mir, als würde mein Herz in Stücke gerissen.“

´Âmir ibn ´Abdullah brach alle Verbindungen mit der Außenwelt ab und pflegte zu sagen:

„Es wäre mir lieber, wenn mein Körper von einem Pfeil durchbohrt würde, als während des Gebets das Gerede und die Handlungen der Menschen um mich herum wahrnehmen zu müssen.“

Die heutigen Menschen, die nicht so beten können, wie die Gefährten des Propheten – Allah segne ihn und sie und schenke ihm und ihnen Frieden – und deren Nachfolger, sind oft so fern der Freuden und des Geschmacks des Gebets, dass sie sogar dessen Sinn und spirituellen Nutzen anzweifeln. Ihr Verstand reicht offenbar nicht aus, um zu begreifen, dass, während viele Menschen ihre Zeit mit weltlichen und oftmals üblen Handlungen verschwenden, die wahren, unvergänglichen Freuden und Genüsse im Gebet zu erfahren sind. Diesen Menschen ist es unmöglich, sich derartige Freuden auch nur vorzustellen. Während sie glauben, dass man in der Begegnung und im Gespräch mit einem geliebten Menschen alles um sich herum vergessen kann, sind sie unfähig, zu erkennen, welch viel größere Freude jemand im Gebet empfinden kann - in der Begegnung und im Zwiegespräch mit seinem Meistgeliebten, seinem Herrn, Allah. Welch trauriger Zustand von Blindheit hat die Menschheit nur befallen!

In Wirklichkeit führt aufrichtiges Gebet den Diener hin zur Gotteserkenntnis und zur Vervollkommnung seines Wesens in Dankbarkeit und Dienerschaft Allahs. Deshalb ist das Verrichten des Gebets ein Leichtes für diejenigen, die starken Glaubens sind und deren Herzen erfüllt sind von der Liebe zu Allah. Für sie ist das Gebet ein Quell unbeschreiblicher Freude. Darum haben sie stets das Gefühl, sich im Gebet zu befinden, auch während sie körperlich nicht beten.

Uways al-Qarânî liebte es, lange Zeit im Gebet verweilen. Einmal kam ein Freund, um ihn zu besuchen, während er dabei war, das Gebet zu verrichten. Sein Freund wartete darauf, dass er sein Gebet beendete, doch als er sah, dass dies Gebet kein Ende zu nehmen schien, sagte er zu sich selbst:

„O Seele, du bist hergekommen, um Uways zu besuchen und von seinem Segen zu profitieren. Dies ist die höchste Stufe, dies ist der beste Rat und Taten sagen mehr als Worte! Wenn du vermagst, aus dem, was du hier siehst, die rechte Lehre zu ziehen, dann ist dies mehr als genug für dich bis an dein Lebensende!“

Es war für diesen Besucher eine unausgesprochene und edle Lehre, die keiner Worte bedurfte. Und so ging er davon, in dem Bewusstsein, mit göttlicher Zufriedenheit und innerem Frieden gesegnet worden zu sein.

Über diejenigen, denen derartige Gnaden verwehrt bleiben, sagt Allah der Allmächtige:

... und das Gebet, dies ist wahrlich schwer, außer für die, die demütig sind.“ (2:45)

Auch wenn es uns nicht möglich scheint, die Stufen zu erreichen, die den Gottesfreunden und Rechtschaffenen durch ihr Gebet zuteilwird, müssen wir uns doch, soweit es unserem Herzen und unserer Seele möglich ist, darum bemühen. Schaytân versucht gelegentlich, uns davon abzubringen, indem er uns einredet, dass unser Gebet sowieso nichts wert sei, weil es nicht höchsten Anforderungen entspricht. Dies ist eine seiner Fallen! Ein Trick, der dazu dienen soll, uns in die Irre gehen zu lassen. Es ist auf jeden Fall besser, zu beten, selbst wenn wir unser Gebet nicht in vollkommener frommer Ehrerbietung verrichten können, als das Gebet zu unterlassen. Der Unterschied zwischen Gebet und Unterlassen des Gebets ist gewaltig. Wer nicht betet, erleidet immer einen Verlust. Wer jedoch in unvollkommener Weise betet, mag eines Tages die göttliche Gnade erfahren, die ihn dazu führt, das Gebet so zu verrichten, dass es des Wohlgefallens des Allmächtigen würdig ist. Und wenn es uns auch nur einmal gelingt, ein solches Gebet verrichten, mag uns das Glück zuteilwerden, uns in der göttlichen Gegenwart Allahs wiederzufinden.