Was ist der Islam?

Der Islam besteht aus Glaube und rechtschaffenen Taten.

Entsprechend der Lehre des Islam hat der Mensch zwei Arten von Verpflichtung gegenüber Allah: die eine ist der Glaube, die andere besteht in Form von Handlungen. Die Glaubensverpflichtungen stehen vor den Handlungen.

So sagte der Gesandte Allahs – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden:

„Was ich für diese Gemeinschaft am meisten fürchte ist die Anbetung anderer Gottheiten neben Allah (Schirk).“[1]

Die Menschheit wird vor Allah in zwei Gruppen aufgeteilt werden: in Gläubige und Ungläubige. Der Glaube stellt eine unteilbare Einheit dar. Das heißt in anderen Worten: wenn jemand sich weigert, an irgendeines der Glaubensprinzipien zu glauben ist es das gleiche, als lehne er sie allesamt ab. All diese Prinzipien besitzen den gleichen Stellenwert, weil der Mensch kein Recht hat, etwas für falsch zu erklären, was von Allah für richtig befunden wurde. Oder meint der Mensch, er könne sich in seinem Zustand absoluter Schwäche dem allmächtigen und allwissenden Schöpfer entgegenstellen? Ohne Glauben sind gute Taten nutzlos, deshalb besitzt im Islam der Glaube von allen notwendigen Dingen die höchste Priorität.

Doch Glaube allein ohne gute Taten reicht nicht aus. Die guten Taten sind es, die den Glauben vor dem Verfall bewahren. Wenn wir den Islam mit einem Obstbaum vergleichen, stellt der Glaube im Herzen die Wurzel dar, das ausgesprochene Glaubensbekenntnis den Stamm und die guten Taten die Blüten und Früchte. So wie die Früchte das erwünschte Produkt des Baumes sind, sind in diesem Vergleich die guten Taten die notwendige Folge des Glaubens. Gotteserkenntnis und Nähe zu Allah können nur durch gute Taten erreicht werden. Islam ist also mit anderen Worten nicht nur eine Angelegenheit des Glaubens, sondern ebenso des rechten Handelns. Wer meint, sein Heil allein im Glauben, ohne rechtes Handeln, zu finden, begibt sich auf einen gefährlichen Irrweg. Darum stellen auch vier der fünf Säulen des Islam praktische Grundlagen guter Taten dar. Nur die erste Säule, das Glaubensbekenntnis, bezieht sich allein auf den Glauben.

Ibn ´Umar – möge Allah mit ihm zufrieden sein – berichtete, dass Allahs Gesandter sagte:

„Der Islam ist aufgebaut auf fünf Dingen:

- Dem Bekenntnis, dass es keine Gottheit gibt außer Allah und dass Muhammad Allahs Gesandter ist

- der Verrichtung des Gebetes

- der Entrichtung der Pflichtabgabe (Zakât)

- der Pilgerfahrt zum Hause Allahs (Hajj)

- dem Fasten im Monat Ramadân[2]

Diese fünf Prinzipien allein machen jedoch nicht den ganzen Islam aus. Sie sind die Grundpfeiler, die das Gebäude stützen, doch es gibt darüber hinaus noch andere Prinzipien. Der Islam umfasst das gesamte Leben des Menschen, von der Wiege bis zum Grab, sowohl sein spirituelles und materielles als auch sein privates und öffentliches Leben. Selbst ein oberflächliches Studium des Qur’ân und der Aussprüche des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – zeigt, dass diese sich auf alle Aspekte menschlichen Lebens beziehen. Die oben genannte Überlieferung gibt den Muslimen einen ersten, allgemeinen Rahmen, innerhalb dessen sie ihr Leben gestalten können. Ein Gebäude bedarf solider Grundpfeiler, um fest auf seinem Fundament zu stehen, andere Säulen unterstützen diese Grundpfeiler und tragen so zu größerer Stabilität des gesamten Bauwerks bei. Dem entsprechend verdeutlichen viele andere Überlieferungen zusätzliche Prinzipien. Ein Beispiel dafür ist folgendes Hadîth[3]:

„Der Islam besteht aus acht Teilen. An den Islam zu glauben ist ein Teil, das Gebet zu verrichten ist ein Teil, die Pflichtabgabe zu entrichten ist ein Teil, das Fasten ist ein Teil, die Pilgerfahrt ist ein Teil, das Gute zu gebieten ist ein Teil, sich von Schlechtem fern zu halten ist ein Teil, der Kampf auf dem Wege Allahs ist ein Teil ...“

Die Bestimmungen des Islam sind mit einem Zirkel vergleichbar, bei dem ein Schenkel, der die Pflichten darstellt, feststeht, während der andere, der die freiwilligen Handlungen (Sunna, Nâfila) symbolisiert, frei beweglich ist. Während einerseits die Pflichten feststehen sind andererseits die freiwilligen Handlungen dem Einzelnen, entsprechend seinen Fähigkeiten und seinem Vermögen, überlassen. Diejenigen, deren Fähigkeiten denen Abû Bakrs – möge Allah mit ihm zufrieden sein – entsprechen, sollten mehr freiwillige Handlungen verrichten als Schwächere, während von denjenigen, die nicht diesen hohen Grad an Opferbereitschaft besitzen, nicht erwartet werden kann, dass sie den Islam in der gleichen Weise praktizieren wie Abû Bakr. Ein wichtiges Prinzip, das dabei zu beachten ist, besteht darin, dass jeder, nachdem er seine religiösen Pflichten in der ihm bestmöglichen Weise verrichtet hat, entsprechend seinen Möglichkeiten freiwillige gottesdienstliche Handlungen verrichtet, um so durch Entsagung von dieser Welt näher zu Allah zu gelangen. Indem wir dies tun, entwickeln wir uns weiter, um schließlich die dem Menschen verheißene Stellung als Stellvertreter Allahs auf Erden zu erwerben.

Ebenso wichtig, wie die offenkundigen Regeln des Islam zu verstehen, ist es, die verborgenen spirituellen Aspekte des Islam zu begreifen. Allah der Allmächtige hat uns durch Seinen Gesandten – Segen und Friede seien auf ihm – immer wieder auf diese Prinzipien hingewiesen. Dadurch hat Allah es uns möglich gemacht, den Islam in der richtigen Art zu lehren und in vollkommener Weise zu praktizieren. Die folgende Überlieferung, die unter dem Namen „Jibrîl-Hadîth“ bekannt ist, betont diesen Punkt:

´Umar – möge Allah mit ihm zufrieden sein – berichtete:

„Während wir eines Tages mit dem Gesandten Allahs zusammen saßen – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – erschien ein Mann mit sehr weißen Kleidern und sehr schwarzem Haar. Keinerlei Anzeichen der Reise waren an ihm zu erkennen und keiner von uns kannte ihn. Er setzte sich schließlich zum Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden –, so dass seine Knie dessen Knie berührten, legte seine Hand auf dessen Oberschenkel und sagte:

‚O Muhammad, unterrichte mich über den Islam!’

Da sagte Allahs Gesandter – Segen und Friede seien auf ihm:

‚Der Islam besteht darin, zu bezeugen, dass es keine Gottheit außer Allah gibt und dass Muhammad Allahs Gesandter ist, das Gebet zu verrichten, die Zakât zu entrichten, den Ramadân zu fasten und zum Hause (Allahs) zu pilgern, wenn Du dazu in der Lage bist.’

Er sagte: ‚Du hast die Wahrheit gesprochen!’ und wir wunderten uns darüber, dass er ihn (erst) befragte und ihn (dann) bestätigte.

Er sagte: ‚Unterrichte mich über den Glauben (Îmân)!’

Er sagte – Allahs Segen und Friede seien auf ihm:

‚An Allah zu glauben und an Seine Engel und an Seine Bücher und an Seine Gesandten und an den Jüngsten Tag, und an die Bestimmung zu glauben, im Guten wie im Schlechten.’

Er sagte: ‚Du hast die Wahrheit gesprochen!’ (und) er sagte: ‚Unterrichte mich über die (Stufe der) Vorzüglichkeit (Ihsân)!’

Er sagte – möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken:

‚Allah so zu dienen, als ob du Ihn sähest und wenn du ihn auch nicht siehst, zu wissen, dass Er dich sieht.’

Er sagte: ‚Dann unterrichte mich über die Stunde (des Jüngsten Tages)!’

Er (der Prophet) sagte: ‚Der Befragte weiß darüber nicht mehr als der Fragende!“

Da sagte er: ‚So berichte mir über ihre Anzeichen!’

Da sagte er:

‚Dass die Dienerin ihre Herrin gebiert und dass du siehst, wie die barfüßigen, dürftig bekleideten, ärmlichen Viehhirten einander im Errichten hoher Gebäude zu übertreffen suchen.’

Daraufhin ging er fort und ich blieb dort.

Da sagte er (der Prophet): ‚O ´Umar, weißt du, wer der Frager war?’

Ich sagte: ‚Allah und Sein Gesandter wissen es besser!’

Er sagte – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden: ‚Wahrlich, es war Jibrîl, der gekommen ist, um euch eure Religion zu lehren!’“[4]

Zusammenfassend können wir sagen, dass der Islam die Religion der Verehrung und Anbetung Allahs, des Einen ist. Im heiligen Qur’ân sagt Allah der Allmächtige:

Und ich habe die Jinnen und die Menschen zu nichts anderem erschaffen, als mir zu dienen.“ (51:56)

Und Allah der All-Erhabene befiehlt Seinem Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – der Menschheit zu verkünden:

„Sprich: ‚Wahrlich mir wurde aufgetragen, Allah zu dienen und die Religion rein und allein für Ihn zu machen und mir wurde befohlen, der Erste derer zu sein, die sich ganz (Ihm) hingeben’

Sprich: ‚Wahrlich, sollte ich meinem Herrn ungehorsam sein, so fürchte ich das Verhängnis eines Tages voller Schrecken.’

Sprich: ‚Ich diene Allah und mache meine Religion aufrichtig für Ihn allein’“ (39:11-14)

Der Glaube an Allah ist kein blindes, roboterhaftes Erfüllen religiöser Gesetzesvorschriften, sondern vielmehr Gottesdienst für den Schöpfer des Universums, den wahren Herrscher über Leben und Tod; nichts anderes als Zufriedensein mit Seiner Bestimmung und Verrichtung rechtschaffener Taten in Übereinstimmung mit Seinem Willen. Eine Religion einzuführen ist das alleinige Vorrecht der Propheten – Allahs Frieden sei auf ihnen. Unter allen Religionen der Welt ist der Islam diejenige, deren Quellen am vollkommensten erhalten sind und Allah selbst hat versprochen, das Wunder des Qur’ân bis ans Ende der Zeit zu bewahren.

Der Islam hat alle Mythen und Arten von Aberglauben zerstört und abgeschafft und die Spuren der Dunkelheit entfernt. Anstelle von Unterdrückung und Unwissenheit hat der Islam Gerechtigkeit und höchste Moralität etabliert und der Welt Glück und Frieden gebracht.

Der Islam ermöglicht uns, unser wahres Wesen zu entdecken und lehrt uns das Geheimnis der Worte Allahs bezüglich des Menschen:

Und Ich blies ihm ein von Meiner Seele “ (32:9)

Der Islam poliert den Spiegel des Herzens und bereitet es darauf vor, zu Allah zu gelangen; er verleiht dem Menschen die Zierde hoher Moral und ist ein solch machtvolles Elixier, dass er die Furcht vor der Dunkelheit der Nacht des Todes in freudige Erwartung verwandelt, nur vergleichbar mit dem sehnsüchtigen Hoffen eines Jünglings auf die Hochzeitsnacht.

Der Dichter Mehmet Akif sagt, in Hinblick auf die traurige Situation der Muslime seiner Zeit, geprägt von ihrer Schwäche und Unfähigkeit zu wahrer Hingabe im Islam:

Wenn die Muslime nicht vom Lauf der Zeit zerschmettert werden wollen, bleibt ihnen keine andere Wahl als die Rückkehr in den Schoß des Islam

 

[1] Musnad, IV, 124, 126

[2] Bukhârî, Bd. I, Buch 2, Nr. 7

[3] Hadîth, Überlieferung der Worte oder Handlungen des Propheten - Allah segne ihn und schenke ihm Frieden

[4] Muslim, Îmân, 1